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Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur
Autoren: Henry David Thoreau
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der einen Knaben fragte, ob der Sumpf vor ihm festen Grund habe.
    Der Knabe bejahte. Im nächsten Moment sank das Pferd des Reiters bis zum Sattelgurt ein. »Du sagtest doch, dieser Morast habe einen festen Grund?« rief der Reiter. »Den hat er auch«, entgegnete der Knabe, »aber ihr seid noch nicht tief genug eingesunken.« Dasselbe gilt vom Morast und Treibsand der Gesellschaft; doch einer, der dies weiß, ist ein alter Knabe. Nur was in gewissen seltenen Augenblicken der Harmonie gedacht, gesagt oder getan wird, ist wirklich gut. Ich möchte nicht zu denen gehören, die gedankenlos einen Nagel in lose Latten
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    oder in den bloßen Verputz treiben; so etwas würde mir
    schlaflose Nächte bereiten. Gib mir den Hammer, und lasse mich erst einmal die Stelle abklopfen. Verlaß dich nicht auf die Kalkschicht. Schlage den Nagel richtig ein, bis er so fest sitzt, daß du mit Befriedigung an deine Arbeit denken kannst, wenn du in der Nacht aufwachst - eine Arbeit, bei der du dich nicht schämen müßtest, die Musen anzurufen. Einzig auf diese
    Weise kannst du auf die Hilfe Gottes zählen. Jeder Nagel sollte wie eine neue Niete im Getriebe des Weltalls sein, und auch deine Arbeit trägt dazu bei.
    Mehr als Liebe, als Geld, als Ruhm gilt mir die Wahrheit. Ich saß einmal an einem Tisch, auf dem es köstliche Speisen und Wein in Hülle und Fülle gab; die Bedienung war aufmerksam, aber Aufrichtigkeit und Wahrheit fehlten; also verließ ich hungrig diesen ungastlichen Tisch. Die Gastlichkeit war so kalt wie das aufgetragene Eis. Das Eis wäre gar nicht nötig
    gewesen, um sie zu gefrieren. Man pries das Alter des Weins, rühmte die Erlesenheit seines Jahrgangs. Ich aber dachte an einen älteren, frischeren, reineren Wein, einen erleseneren Jahrgang, den sie nicht hatten und auch nicht kaufen konnten.
    Die Aufmachung, das Haus, Grund und Boden und
    »Lustbarkeit« bedeuteten mir nichts. Ich machte dem König meine Aufwartung, aber er ließ mich in seinem Vorraum warten und benahm sich wie ein Mensch, der der Gastfreundschaft unfähig ist. In meiner Umgebung hingegen lebte ein Mann, der in einem hohlen Baum wohnte. Sein Benehmen war wahrhaft königlich. Es wäre besser gewesen, ich hätte ihm meine
    Aufwartung gemacht. Wie lange wollen wir noch in unseren Portikos sitzen und müßige, schale Tugenden üben, die von jeglicher Arbeit in den Schatten gestellt würden? Das ist geradeso, als ob einer den Tag mit fruchtlosem Kleinkram beginnen, zum Umgraben der Kartoffeln aber einen Mann
    dingen würde und dann am Nachmittag hinginge, um mit
    vorbedachter Güte christliche Nächstenliebe und Wohltätigkeit zu üben. Wohin führen der Hochmut Chinas und die träge
    Selbstgefälligkeit der Menschheit? Unsere Generation tut sich etwas darauf zugute, die letzte einer erlauchten
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    Geschlechterfolge zu sein. In Boston und London, in Paris und Rom wird eingedenk dieser uralten Abstammung von unserem Fortschritt in Kunst, Wissenschaft und Literatur mit großer Genugtuung gesprochen. Dazu noch die Berichte
    philosophischer Gesellschaften und die öffentlichen
    Lobeshymnen auf Große Männerl Der gute Adam, er bestaunt seine eigene Tugend! »Ja, wir haben Großes geleistet und herrliche unvergängliche Lieder gesungen« - das heißt, so lange wir uns ihrer erinnern! Die Gelehrtengesellschaften und die großen Männer Assyriens - wo sind sie heute? Was für jugendliche Philosophen und Experimentatoren wir doch sind, auf allen Gebieten! Da ist nicht einer unter meinen Lesern, der schon ein volles Menschenleben gelebt hätte. Vielleicht sind dies erst die Frühlingsmonate im Leben des
    Menschengeschlechts. Wenn wir auch das verflixte siebente Jahr kennen, das verfluchte siebzehnte, das Jahr der
    Heuschrecken haben wir hier in Concord noch nicht gesehen.
    Wir kennen nicht mehr als das äußerste Häutchen des Erdballs, auf dem wir leben. Die meisten sind weder sechs Fuß tief unter die Oberfläche getaucht, noch sechs Fuß hoch in die Luft gesprungen. Wir wissen nicht, wo wir sind. Außerdem
    verschlafen wir fast die Hälfte unseres Lebens. Aber wir halten uns für weise und haben eine bestehende Ordnung auf der Erdoberfläche. Wahrhaftig, wir sind tiefe Denker, wir sind hochstrebende Geschöpfe! Wenn ich mich über das In sekt beuge, das da unter den Tannennadeln über den Waldboden kriecht, und mich frage, warum es so gering von sich denkt, daß es den Kopf vor mir verbirgt, der ich vielleicht sein Wohltäter sein und seinem
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