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Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur
Autoren: Henry David Thoreau
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nur selten zu hören. Die Wildgans ist mehr Kosmopolit als wir. Sie frühstückt in Kanada, nimmt ihr Mittagessen am Ohio ein und putzt sich in einer Bucht im Süden das Gefieder für die Nacht. Sogar der Bison hält in gewissem Maße Schritt mit den Jahreszeiten. Er äst auf den Weiden des Colorado nur so lange, bis ihn am Yellowstone grüneres und saftigeres Gras erwartet. Wir aber glauben, wenn Zäune und Steinmauern um unsere Farmen errichtet sind, dann seien auch unserem Leben Grenzen gesetzt und unser
    Schicksal festgelegt. Natürlich, wenn sie dich zum
    Gemeindesekretär ernennen, kannst du diesen Sommer nicht nach Feuerland fahren: in das Land des höllischen Feuers kannst du allerdings fahren. Das Weltall reicht weiter als unsere Sicht.
    Und doch sollten wir wie neugierige Passagiere öfter einen Blick über den Heckbord unseres Fahrzeugs werfen und nicht wie stumpfsinnige Matrosen während der Reise Werg zupfen.
    Die andere Seite des Erdballs ist nur die Heimat unserer Antipoden. Unser Reisen ist nichts als ein großes Im-Kreise-Segeln, und die Ärzte behandeln nur Krankheiten der
    Hautoberfläche. Man beeilt sich, nach Südafrika zu gehen, um Giraffen zu jagen; doch das ist nicht das Wild, hinter dem der Mensch her sein sollte. Du meine Güte! Wie lange würde es wohl einer aushaken, Giraffen zu jagen? Auch die Schnep
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    fenjagd ist ein seltener Sport. Das nobelste Wild aber ist meines Erachtens das eigene Ich.
    »Richte den Blick nach innen, und du findest
    Tausend Gebiete, die noch unergründet
    In deines Geistes Tiefe liegen. Bereise sie
    Und sei Gelehrter deiner inneren Kosmographie.«
    Was gilt Afrika, was der Westen? Ist nicht unser eigenes Inneres ein weißer Fleck auf der Landkarte? Obwohl er sich vielleicht als so schwarz erweisen würde wie die Küste, wenn er einmal entdeckt wäre. Sind es denn die Quellen des Nils, des Nigers, des Mississippi oder eine Nordwestpassage rund um unseren Kontinent, die wir entdecken würden? Sind das die Probleme, welche die Menschheit am meisten angehen? Ist denn Sir John Franklin der einzige Mann, der verloren ist, daß seine Frau so ernsthaft nach ihm suchen läßt? Weiß Mister Grinnell, wo er selber ist? Sei lieber der Mungo Park, Lewis, Clark und Frobisher deiner eigenen Ströme und Ozeane.
    Erforsche deine eigenen höheren Breitengrade - wenn nötig, mit ganzen Schiffsladungen konservierten Fleisches als
    Wegzehrung; und türme die leeren Büchsen als Wahrzeichen himmelhoch auf. Wurden Fleischkonserven nur dazu erfunden, um Fleisch zu konservieren? Nein, sei ein Kolumbus neuer Welten und Kontinente in deinem Innern, eröffne neue Kanäle, nicht für den Handel, sondern für das Denken! Jeder Mensch ist der Herr eines Reiches, mit dem verglichen ein irdisches Reich nur ein unbedeutendes Ländchen ist, eine vom Eis
    zurückgelassene Scholle. Trotzdem gibt es Patrioten, die keine Selbstachtung besitzen und das Größere dem Geringeren opfern. Sie lieben die Erde, die ihr Grab sein wird, haben jedoch kein Erbarmen mit dem Geist, der vielleicht noch ihren eigenen Klumpen Ton zu beleben vermag. Patriotismus heißt die Grille in ihrem Kopf. Was war jene Südpolexpedi tion mit ihrem ganzen Aufwand und ihren Unkosten anderes als das unfreiwillige Eingeständnis der Tatsache, daß es in der moralischen Welt Kontinente und Meere gibt, zu denen jeder Mensch eine Landenge oder einen Zugang darstellt, wenn auch
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    noch nicht von ihm entdeckt; und daß es leichter ist, auf einem Schiff der Regierung mit fünfhundert Mann Besatzung viele tausend Meilen durch Sturm und Kälte zu segeln, als das eigene Meer, den Atlantik und Pazifik des eigenen Ichs zu erforschen:
    »Erret, et extremos alter scrutetur Iberos.
    Plus habet hic vitae, plus habet ille viae.
    Wandert, durchforscht nur die äußerste Fremde Iberiens.
    Hier habt ihr mehr des Lebens, dort habt ihr mehr des Wegs.«
    Es lohnt nicht, rund um die Welt zu fahren, um die Katzen von Sansibar zu zählen. Doch magst du selbst das tun, solange du nichts Besseres weißt - vielleicht findet sich einmal ein
    »Symmes-Loch«, durch das du schließlich ins Innere schlüpfen kannst. England und Frankreich, Spanien und Portugal,
    Goldküste und Sklavenküste, alle grenzen an dieses innerliche Meer; doch nicht ein Schiff hat sich auf die hohe See gewagt, obwohl es zweifellos der direkte Weg nach Indien ist. Wenn du in allen Zungen redetest und mit aller Völker Sitten vertraut wärest, wenn du weiter reisen würdest
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