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Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur
Autoren: Henry David Thoreau
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Geschlecht eine erfreuliche
    Mitteilung machen könnte, dann erinnere ich mich an den größeren Wohltäter und den größeren Geist, der herabblickt auf mich, das menschliche Insekt.
    Unablässig fließt der Welt Neues zu, und doch dulden wir ein unglaubliches Maß an Stumpfheit. Ich muß nur daran erinnern, welche Predigten man in den meisten aufgeklärten Ländern noch immer hört. Worte wir Freud und Leid gibt es nur noch als Kehrreim eines Psalms, welcher mit näselndem Klang
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    gesungen wird, während wir an das Gewöhnliche und das
    Gemeine glauben. Wir glauben, daß wir nur unsere Kleider wechseln können. Es heißt, das Britische Reich sei sehr groß und angesehen, und die Vereinigten Staaten seien eine
    Weltmacht. Wir bedenken nicht, daß hinter jedem Menschen eine Flut steigt und sinkt, die imstande wäre, das Britische Reich wie einen Holzspan hinwegzuschwemmen, wenn ihr je der Gedanke käme. Wer weiß, was das verfluchte siebzehnte Jahr demnächst aus unserem Boden hervorbringen wird? Die Regierung der Welt, in der ich lebe, wurde nicht nach Tisch über einem Gläschen Wein entworfen, wie die Britanniens.
    Das Leben in uns gleicht dem Wasser in einem Fluß. Es kann in diesem Jahr höher steigen, als wir es je erlebt haben, und das dürre Hochland überfluten. Vielleicht ist es gerade dieses Jahr ereignisreich und ersäuft alle unsere Bisamratten. Es war nicht immer ein trockenes Land, wo wir leben. Tief in seinem Inneren sind noch die Sandbänke zu sehen, welche der Strom überflutete, noch ehe die Wissenschaft begann, seine
    Überschwemmungen aufzuzeichnen. Jeder von uns kennt die Geschichte, die in ganz Neuengland die Runde machte, von dem großen schönen Käfer, der eines Tages aus der trockenen Platte eines alten Tisches aus Apfelbaumholz hervorgekrochen kam. Sechzig Jahre lang hatte der Tisch in der Küche eines Farmers gestanden, erst in Connecticut, hernach in
    Massachusetts. Das Ei selbst war, wie man aus der Zahl der Jahresringe schließen konnte, schon viele Jahre vorher in den noch lebenden Baum gelegt worden. Wochenlang hörte man
    den Käfer bohren, der vielleicht durch die Wärme eines
    Teekessels ausgebrütet worden war. Wer fühlt sich nicht in seinem Glauben an Auferstehung und Unsterblichkeit bestärkt, wenn er so etwas hört? Wer weiß, welches schöne,
    beschwingte Leben uns noch bevorsteht, zu dem das Ei eine Ewigkeit unter vielen dichten Lagen von Hölzernheit im
    ausgedörrten Gesellschaftsleben begraben lag (es war einst in den Splint eines grünen, lebendigen Baumes gelegt worden, der sich allmählich in eine Art wohltemperierte Gruft
    verwandelte) und eines Tages zur Verwunderung der
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    Menschenfamilie, die es jahrelang nagen gehört hatte, während sie um die festliche Tafel saß, unerwartet aus dem
    alltäglichsten Möbel der Menschheit hervorbrechen wird, um sich endlich seines vollkommenen Sommerdaseins zu erfreuen!
    Ich sage nicht, daß John oder Jonathan das alles verwirklichen werden. Doch dieser Morgen wird so beschaffen sein, daß ein bloßes Verrinnen der Zeit ihn nicht zur Dämmerung machen kann. Das Licht, das uns blendet, ist Dunkelheit für uns. Nur der Tag beginnt zu dämmern, an dem wir erwachen. Noch mancher Tag erwartet seine Dämmerung. Die Sonne ist nichts als ein Morgenstern.
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    Werner von Koppenfels danken wir für die Übersetzung des Gedichts auf Seite 89, Christa Schuenke für die Übersetzung der John-Donne-Verse auf Seite 240.
    Die Verse aus Ovids Metamorphosen auf den Seiten 338 und 340 f. sind in der Übertragung von Johann Heinrich Voß wiedergegeben.
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