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111 - Wenn das Grauen sich erhebt

111 - Wenn das Grauen sich erhebt

Titel: 111 - Wenn das Grauen sich erhebt
Autoren: A.F.Morland
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Die Konditorei befand sich in Soho. Tuvvana hatte sie vor zwei Wochen zufällig entdeckt, als sie sich auf dem Heimweg befunden hatte. Auch heute war sie wieder hier »hängengeblieben«.
    Sie kam an der Konditorei einfach nicht vorbei, ohne sie zu betreten. Die Versuchung war einfach zu groß - und das Erdbeertörtchen zu süß.
    Der weibliche Gnom aß das letzte Stück und legte anschließend die Gabel auf den Dessertteller. Mit sich und der Welt zufrieden, lehnte Tuvvana sich zurück.
    Wenn Cruv, ihr Freund, sie jetzt gesehen hätte, hätte er wahrscheinlich vorwurfsvoll den Kopf geschüttelt und gesagt: »Tuvvana, Tuvvana, du wirst eines Tages noch kugelrund.«
    Auch Cruv stammte von Coor, dieser gefahrvollen Welt - gefahrvoll für jedermann, ganz besonders aber für Gnome, die dort wie Freiwild behandelt wurden. Jeder durfte sie töten, und es gab kaum einen Gnom, der auf Coor eines natürlichen Todes starb.
    Deshalb hatten zuerst Cruv und danach Tuvvana die Gelegenheit wahrgenommen, Coor zu verlassen, als sie sich ihnen bot, und weder sie noch er verspürten auch nur das geringste Heimweh.
    Ein Gnom, der sich nach Coor zurücksehnte, war entweder verrückt oder lebensmüde. Tuvvana und Cruv waren beides nicht.
    Die Kleine nahm einen Schluck von ihrem Tee und verlangte die Rechnung. Während sie bezahlte, vermeinte sie zum erstenmal, angestarrt zu werden. Nun, sie war klein und hatte sich inzwischen daran gewöhnt, daß die Menschen sie neugierig ansahen.
    Aber in diesem Blick befand sich eine spürbare Feindseligkeit, die ihr unter die Haut ging. Tuvvana steckte das Wechselgeld ein und sah sich beunruhigt um.
    Wer brachte ihr diese Feindseligkeit entgegen? Befand sich die Person in der Konditorei oder draußen?
    Tuvvanas Blick begegnete dem eines grauhaarigen Mannes. Er lächelte sie freundlich an und sah dann weg.
    Ist er es…? fragte sich die Kleine, aber in seinem Blick war nur Wärme gewesen.
    Tuvvana erhob sich. Sie nahm seit kurzem hier in Soho Klavierunterricht. Der Industrielle Tucker Peckinpah hatte ihr dazu geraten und ihr auch einen erstklassigen Lehrer empfohlen.
    Auf Coor gab es keine Musik und keine Instrumente. Tuvvana hatte erst hier auf der Erde mit der unbekannten Klangwelt Bekanntschaft gemacht, und sie war von der Musik begeistert.
    Peckinpah besaß ein Klavier, und Tuvvana hatte sich fasziniert daran versucht. Sie hatte sich einige einfache Melodien selbst beigebracht und diese Cruv und dem Industriellen, dessen Leibwächter ihr Freund war, vorgespielt.
    Tucker Peckinpah hatte die Darbietung so gut gefallen, daß er ihr anbot, ihr den Klavierunterricht zu bezahlen. Bereits am nächsten Tag hatte der Industrielle sie zu einem Mann gebracht, der in jungen Jahren in den Konzertsälen der ganzen Welt Triumphe am Flügel gefeiert hatte.
    Seither begab sich Tuvvana dreimal wöchentlich nach Soho, um sich gelehrig beibringen zu lassen, wie man dem Klavier die wunderbarsten Töne entlockte.
    Dieser Blick…
    Cruv hatte gesagt, er würde sie mit dem Wagen zum Unterricht bringen und wieder abholen, doch Tuvvana hatte darauf verzichtet. Sie ging gern zu Fuß durch die Stadt, an der sie sich nicht sattsehen konnte.
    London überraschte sie immer wieder mit neuen Eindrücken. Tuvvana lebte sehr gern hier. Sie hatte eine neue Heimat gefunden und war zum erstenmal in ihrem Leben unbeschwert glücklich, denn hier lauerten nicht auf Schritt und Tritt Gefahren, Oder doch?
    Tuvvana verließ die Konditorei, Das unangenehme Gefühl blieb. Es fraß sich in ihr Herz und machte ihr Angst, An der nächsten Straßenecke blieb sie stehen und blickte sich um.
    Sie sah eine alte Frau und eine junge Mutter, die einen Kinderwagen vor sich herschob, einen Jungen, der mit Rollschuhen über den Bürgersteig flitzte - aber niemanden, der sie verfolgte.
    Dennoch hätte sie wetten mögen, daß jemand hinter ihr her war, und es konnte sich um keinen Menschen handeln, sonst wäre die unangenehme Empfindung nicht so groß gewesen.
    Tuvvana überquerte die Kreuzung, entdeckte eine Telefonzelle und eilte darauf zu. Sie wollte zu Hause anrufen und Cruv bitten, ihr mit dem Wagen entgegenzukommen.
    Eine dicke Frau stand in der Telefonbox und redete so laut, daß Tuvvana jedes Wort verstehen konnte. Es war von Übergewicht, Abspecken und Diäten die Rede.
    Tuvvana tänzelte ungeduldig vor der Telefonzelle herum. Immer wieder sah sie sich um, doch sie entdeckte niemanden, den sie auf Anhieb als ihren Feind erkennen konnte.
    Endlich
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