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Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur
Autoren: Henry David Thoreau
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Fremden anbellte, der das Grundstück seines Herrn in Kleidern betrat, aber von einem nackten Dieb ließ er sich schnell beruhigen. Es wäre interessant festzustellen, in welchem Maß die Menschen Rang und Ansehen behielten, wenn man sie ihrer Kleider entledigte.
    Wer könnte in einem solchen Fall mit Bestimmtheit von einem zivilisierten Menschen sagen, ob er zur höchstgeachteten Klasse gehörte? Als Madame Ida Pfeiffer auf ihren
    abenteuerlichen Reisen um die Welt von Osten nach Westen auf dem Heimweg durch den asiatischen Teil Rußlands kam, verspürte sie erstmals wieder die Notwendigkeit, die
    Reisekleidung gegen andere einzutauschen, um die
    Honoratioren zu treffen, denn sie »war nun wieder in einem zivilisierten Lande, wo ... die Menschen nach ihren Kleidern beurteilt wurden«. Sogar in unseren demokratischen
    neuenglischen Städten verschafft der zufällige Besitz von Reichtum, beziehungsweise dessen Anzeichen in Form von
    Kleidung oder Kutsche, dem Besitzer fast allumfassenden Respekt. Diejenigen aber, die ihm solche Achtung erweisen, und sind es ihrer noch so viele, sind Götzendiener, denen man Missionare schicken müßte. Nebenbei brachte die Mode das Nähen hervor, eine Arbeit, die kein Ende hat, wenn man so will; ein Frauenkleid wird wenigstens nie ganz fertig.
    Ein Mensch, der einmal die richtige Beschäftigung gefunden hat, braucht dazu keinen neuen Anzug. Der alte, der schon lange staubig auf dem Dachboden gelegen hat, wird ihm
    genügen. Alte Schuhe werden einem Helden länger dienen als seinem Diener - wenn ein Held je einen Diener hat -, und bloße Füße sind älter als jeder Schuh, er wird auch mit ihnen zurechtkommen. Nur Leute, die zu Abendgesellschaften und diplomatischen Empfängen gehen, brauchen neue Kleider,
    Kleider, die so oft gewechselt werden können, wie der Mensch in ihnen sich ändert. Wenn aber mein Rock, meine Hose, mein Hut und meine Schuhe gut genug sind, um Gott darin zu
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    dienen, dann sind sie auch für alles übrige gut genug, oder etwa nicht? Wer hat je seine alten Kleider, seinen alten Mantel tatsächlich so abgetragen, daß er in seine ursprünglichen Bestandteile zerfiel, so daß es keine Wohltat mehr war, ihn einem armen Jungen zu schenken, der ihn seinerseits vielleicht einem noch ärmeren weiterschenkte - oder sollen wir ihn reicher nennen, da er mit weniger auskommen konnte ? Hütet euch vor jedem Unternehmen, das neue Kleider erfordert und nicht einen neuen Menschen. Wenn es keinen neuen
    Menschen gibt, wie können ihm dann neue Kleider passen?
    Was immer man vorhat, man versuche es in seinen alten
    Kleidern. Nicht was wir anhaben, sondern was wir tun, vielmehr was wir sind - darauf kommt es an! Vielleicht sollten wir uns nie, und sei der alte noch so schmutzig und zerrissen, einen neuen Anzug anschaffen, ehe wir so gelebt und gehandelt haben, daß wir uns in unserer alten Haut wie neue Menschen vorkommen.
    Behalten wir aber auch dann den alten Anzug, so bergen wir gleichsam neuen Wein in alten Schläuchen. Unsere
    Mauserungszeit muß wie die des Federviehs ein Wendepunkt in unserem Leben sein. Der Eistaucher zieht sich um diese Zeit in einsame Gewässer zurück. Und die Schlange legt, genau wie die Raupe ihre Wurmhülle, ihre Haut infolge eines inneren Arbeitsprozesses und Wachsens ab; denn Kleider sind nichts als unsere irdische Außenhaut. Sonst wird entdeckt, daß wir unter falscher Flagge segeln, und wir würden unweigerlich von unserer eigenen Meinung und der der Menschheit abgetan.
    Wir ziehen ein Kleidungsstück über das andere, als wüchsen wir wie exogene Pflanzen durch das, was nach außen wächst.
    Unser Äußeres und die oft dünnen und ausgefallenen
    Gewänder sind unsere Epidermis oder Oberhaut, die an
    unserem Leben keinen Anteil hat und jedenorts ohne schwere Verletzungen abgestreift werden kann; die festeren Kleider, die wir ständig tragen, sind Rinde oder Kortex; die Hemden
    schließlich sind uns der Bast oder das Zellgewebe, die man nicht entfernen kann, ohne den Menschen wie einen Baum zu ringeln und zu zerstören. Ich glaube, alle Völker tragen in manchen Jahreszeiten etwas, das unserem Hemd gleicht. Zu
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    wünschen ist, daß sich der Mensch so einfach kleide, daß er sich auch im Dunkeln anziehen kann, und in jeder Hinsicht so einfach und gewappnet lebe, daß er, wenn die Stadt erobert wird, unbesorgt mit leeren Händen zum Tor hinausgehen kann, wie der große Philosoph. Solange in den meisten Fällen ein festes
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