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Wald der Masken

Wald der Masken

Titel: Wald der Masken
Autoren: Horst Hoffmann
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allmählich wieder neuen Tatendrang an den Tag legten. Offenbar wirkte Cobors Beeinflussung nicht mehr, nachdem keines seiner Schreckgespenster erschienen war. In den Augen der Baummänner funkelte wieder die alte Abenteuerlust.
    Als die Flammen des Feuers loderten, kam Roar aus dem Wald zurück, ein mit eigener Hand gerissenes Wild auf den Schultern.
    Daß die Baummenschen ihn wegen seiner Vorliebe für rohes Fleisch verabscheuten, war nichts Neues. Zuerst schüttelten sie ihm ihre Fäuste entgegen, als er die Beute mit seinen Klauenhänden enthäutete und die Eingeweide herausriß und achtlos davonschleuderte. Dann aber, als er sich eine Keule zwischen die Zähne schob, leckten sich die ersten die Lippen.
    Einer fing das Rückenstück auf, das er Mythor zuwerfen wollte, und hetzte damit zum Feuer. Das fast noch warme Blut tropfte in die Flammen, während die Kruste sich schon bräunlich verfärbte.
    Roar steckte sein Fleisch zwischen zwei Felsen und griff an. Seine Arme waren wie Windmühlenflügel und beförderten Waldmenschen Schritte weit fort. Als die anderen zu den Waffen griffen, war Mythor zwischen den Streithähnen.
    »Gib ihnen etwas!« befahl er dem Kruuk. »Sie haben den gleichen Hunger wie du.« Er holte tief Luft. »Verdammt, wann vertragt ihr euch endlich! Wir sind doch keine Gegner. Die lauern…« Er verschluckte den Rest.
    Anderswo! dachte er und erschrak.
    Jetzt, wo die Baumbewohner offenbar von ihrer Beklommenheit befreit waren – wurde nun er das Opfer von Cobors Schwarzseherei?
    Roar überließ ihnen die Hälfte der Beute, fraß gierig die besten Teile, während die Baummenschen sich um den Rest stritten.
    Mythor zog sich zurück und legte sich mit dem Kopf auf einen umgeholzten Stamm. Ilfa blinzelte neben ihm. Er sah ein, daß er sie nicht zum Schlafen zwingen konnte. Sie tat zwar so, als ob, aber er wußte, daß sie auch während seiner Wache ein Auge auf ihn haben würde.
    Die halbwegs gesättigten Baumbewohner breiteten sich um das Feuer aus. Einer stellte sich auf der Mythor gegenüberliegenden Seite auf Wache. Die anderen fielen in den Schlaf der Erschöpfung. Auch ihre Wunden heilten schnell. Sie hatten einen genügend großen Vorrat der Blätter mitgenommen.
    Stille breitete sich aus. Roar hockte zwischen zwei großen Steinen. Von irgendwoher war das Summen von Insekten zu hören, das Zirpen der Grillen, das Quaken der Frösche in einem der wenigen Sumpfteiche dieser Grüninsel. Es lullte Mythor in einen Halbschlaf, so sehr er sich auch gegen die Müdigkeit zu wehren versuchte.
    Das Gequake wurde zu scharf hervorgestoßenen Worten, das Gezirpe zum Rasseln von Waffen. Das durch die geschlossenen Augenlider dringende Feuerrot ballte sich zu Formen zusammen. Aus den dichter werdenden Glutschleiern wurde eine Totenmaske.
    Sie grinste ihn an und griff nach seinem Geist. Nur drei Herzschläge dauerte es, bis unerträgliche Hitze sich in dem Mann ohne Erinnerung ausbreitete. Die Maske löste sich vor seinen Augen auf und fuhr wie ein rötlicher Nebel in ihn ein. Er war wie ein Schwamm, der Wasser aufsaugte. Er kämpfte dagegen an. Er schrie, fiel und wälzte sich am weichen Waldboden.
    Er rollte in das eiskalte Wasser eines Tümpels. Er versank darin, rang nach Luft, spürte, wie der Nebel sich zurückzog.
    Etwas traf ihn am Kopf. Er riß die Augen auf und sah Ilfa, Cobor und Roar. Cobor schüttelte ihm wieder Wasser über den Schädel.
    »Das sollte wohl reichen«, knurrte der Baumbewohner. »Beim nächstenmal weißt du, wie du ihn zu sich bringst, Ilfa.«
    Er drehte sich um und verschwand. Ilfa hielt Mythors Gesicht mit beiden Händen.
    »Es tut mir leid, daß ich dich schlagen mußte, aber ich wußte mir anders nicht mehr zu helfen. Jetzt weiß ich es, Mythor.«
    »Was?«
    Er richtete sich auf und schüttelte die Benommenheit ab. Immer noch hatte er das Gefühl, von innen heraus zu verbrennen.
    »Du hast geschrien. Du hast gegen etwas gekämpft – gegen eine Totenmaske.« Sie küßte ihn, um dann auf die Beine zu springen und die Arme weit von sich zu strecken. »Mythor, ich glaube, wir sollten nicht in den Wald der Masken gehen. Träume, die sich wiederholen, sagen etwas über die Zukunft. Sie erfüllen sich. Ich will nicht, daß wir dem begegnen, was du gesehen hast.«
    »Ich habe einem Sterbenden ein Versprechen gegeben«, wehrte Mythor ab.
    »Er hat nichts mehr davon, daß du es erfüllst oder nicht.«
    Bevor er antworten konnte, gellte Cobors Schrei über die Lichtung:
    »Alle Mann
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