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Wald der Masken

Wald der Masken

Titel: Wald der Masken
Autoren: Horst Hoffmann
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Niederlage in der Himmelsfestung nicht verziehen hatte. Er wollte sie haben, um sie schrecklich dafür zu strafen, daß sie seinen Plan zunichte gemacht und Vailitas Füllhorn statt gegen den Hinterwald und seine Bewohner gegen ihn selbst und seine Gefolgschaft gekehrt hatten.
    Sie waren ganz in schwarze Umhänge gehüllt. Ihre Gesichter waren hinter Tüchern und Stoff binden verborgen, in denen es nur die Schlitze für die rotglühenden Augen gab. Fürchterlicher fast noch als sie waren ihre bald bis aufs Skelett abgemagerten Pferde anzusehen. Von ihren Mäulern flog Schaum, als sie mit wehenden Mähnen über das karge Land dahinjagten. Ihre Hufe rissen das Erdreich auf oder schlugen die Steine in Splitter.
*
    Als sie die erste größere Rast einlegten, lag der Schauplatz des unheimlichen Kampfes weit hinter ihnen. Abgesehen von einigen kleineren Aufenthalten, um die Wundverbände zu erneuern oder Wasser zu sammeln, waren sie gut und unangefochten vorangekommen. Die Tiere dieses steinigen Landstrichs zeigten sich kaum einmal, und selbst die Pflanzen schienen sich eingerollt oder in tiefe Ritzen zurückgezogen zu haben, weil sie vor etwas Furcht hatten. Man konnte es nicht sehen, aber überall spüren. Es war wie der Hauch des Todes, der im Wind gefangene Atem einer schrecklichen Vergangenheit, die hier im Marmorbruch keine Ruhe fand. Die Angst übertrug sich auf die Menschen. Es zeigte sich bei plötzlich ausbrechenden Streitereien über meist belanglose Dinge unter den Baumbewohnern. Besonders Roar und Cobor gerieten des öfteren aneinander.
    Die Gefährten saßen und lagen auf einer Anhöhe, von der aus sich die Umgebung gut übersehen ließ. Mythor schnitt die dünnen Gräser entzwei, die um die Pflanzenblätter an seiner Wade gewickelt waren. Ilfa atmete erleichtert auf, als sie die Blätter entfernte und sah, wie schnell die tiefe Fleischwunde verheilte. Die Pflanzensäfte hatten nicht nur die beschädigten Muskelstränge geschmeidig erhalten und den Schmerz betäubt, sie schienen darüber hinaus das zerstörte Gewebe zu schneller Neubildung anzuregen. Aus verkrustetem Blut und dem bläulichen Saft war eine neue Haut geworden.
    »Cobor kennt sich hier aus«, sagte das Mädchen. »Zu gut für einen, der immer nur im Hinterwald gelebt hat. Fast möchte ich ihm glauben, daß er schon einmal hier war.«
    »Und einem dieser Marmornen begegnet ist?«
    Mythor ließ sich von Ilfa einen neuen Blattverband anlegen und sah dabei Roars düstere Blicke. Es war immer das gleiche Lied. Der grüne Wilde mit seinen ungeheuren Muskelpaketen lief ihm nach wie ein anhänglicher Hund. Manchmal dachte Mythor, Roar besäße das Gemüt eines Kindes, vor allem dann, wenn er vor ihm stand und mit Grunzlauten, Gebrüll und Gesten deutlich zu machen versuchte, was er nicht in Worte zu kleiden vermochte.
    Und im nächsten Moment verwandelte er sich in einen Berserker!
    »Man könnte Angst vor ihm bekommen, wenn er so eifersüchtig dreinschaut«, sagte Ilfa halb im Scherz.
    Roar schien sie zu verstehen. Er sonderte sich ab und setzte sich auf einen Felsen. Mythor hatte Mitleid mit ihm. Der Kruuk war das einzige nichtmenschliche Wesen in der Gruppe. Er war allein und einsam. Die Baumbewohner lehnten ihn ab, weil ihr Volk durch Wilde wie ihn fürchterliche Verluste erlitten hatte.
    »Er spürt das Unselige wie wir«, murmelte Mythor, als Ilfa mit seinem Bein fertig war und aus einer Felltasche getrocknete Früchte nahm. »Er will so schnell wie möglich weiter, und Cobor reizt ihn durch sein Zaudern.«
    »Nicht nur ihn.« Ilfa kaute und spuckte einen Kern aus. »Ich will drei Sprünge in die Luft machen, wenn wir den Marmorbruch hinter uns haben und im Wald der Masken sind.« Sie nickte einem Baumbewohner zu, der scheu zu ihr herübersah. »Das ist Zomfar. Vorhin sprach ich kurz mit ihm. Auch er versteht Cobor nicht. Er sagte, daß jeder aus seinem Volk von den Marmornen gehört hat, doch kaum jemand glaubt daran, daß es sie noch gibt. Aber natürlich wagt er es nicht, Cobor zu kritisieren.«
    »Kritisieren?« fragte Mythor.
    Sie zuckte die Schultern. »Naja, ihm sagen, daß seine Umwege unsinnig sind. Jede Höhle umgeht er in weitem Bogen, jeden Ort, an dem sich jemand oder etwas verstecken könnte.«
    »Nicht Cobor bestimmt unseren Weg, sondern wir«, sagte Mythor.
    Sie runzelte nur die Stirn, und er wußte es ja auch selbst besser.
    Vor vier Tagen hatten sie den Hinterwald verlassen – er selbst, Ilfa, der von Courmin freigelassene Roar
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