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Walburgisöl - Oberbayern-Krimi

Walburgisöl - Oberbayern-Krimi

Titel: Walburgisöl - Oberbayern-Krimi
Autoren: emons Verlag
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meinte: »Kontaktlinsen sind für dich ohnehin besser. Und jetzt gehen wir zum Volksfestumzug.«
    »Fasching im Sommer.« Morgenstern schüttelte den Kopf. »Was diesen Eichstättern nicht alles einfällt.«
    Schon von Weitem hörten sie das dumpfe Dröhnen von Trommeln, das sich langsam aus der Westenstraße auf den Marktplatz zubewegte. In Dreierreihen standen die Zuschauer entlang der Straße; die Morgenstern-Söhne hatten sich ganz vorne postiert, nachdem sie von anderen Kindern erfahren hatten, dass von einigen der Wagen Süßigkeiten ins Volk geworfen werden würden. Morgenstern hielt sich im Hintergrund. Jonas Zinsmeister ging ihm nicht aus dem Kopf, während er für Anton Bruckmair fast keinen Gedanken übrig hatte. Er musste daran denken, dass Jonas Zinsmeister mit seiner Freundin nach Jamaika fliegen wollte. Karibik!, dachte er und musste bitter auflachen. Stattdessen, so stellte er sich vor, kämpften die Mediziner in der Unfallklinik in Murnau um Jonas’ Leben.
    Er hätte ihn nicht verfolgen sollen, dachte er, während die Honoratioren des Volksfestes zu Fuß und in Pferdewagen an ihm vorbeizogen. Oberbürgermeister, Landrat, Minister und Wiesenkönigin saßen gemeinsam in einer Kutsche und winkten ins Volk. Dann kamen die Abordnungen der Vereine mit ihren Fahnen. Aus allen Dörfern der Umgebung waren sie in die Stadt gekommen, um sich zu präsentieren.
    »Das sind ja fast nur Schützenvereine«, sagte Morgenstern nach einiger Zeit zu seiner Frau. »Und es nimmt überhaupt kein Ende.« Hunderte von Männern und Frauen in Schützenanzug und Dirndl marschierten durch die Straße. Vornweg jeweils ein Kind mit einer fein geschnitzten und bemalten Holztafel, auf der der Name und die Ortschaft des Vereins zu lesen war. »Falke Nassenfels« entzifferte Morgenstern und »Limesschützen Petersbuch«. Die Fahnenträger, kräftige Männer, schwenkten mit sichtlicher Anstrengung die schweren bestickten Vereinsbanner, dahinter schritt stolz der jeweilige Schützenkönig, behängt mit einer klimpernden Kette aus Silbermünzen und Medaillen.
    »Nicht besonders prickelnd«, stellte auch Fiona fest. »Wer will denn so etwas sehen?«
    »Alle außer uns«, sagte Morgenstern und deutete auf die Zuschauer in der unmittelbaren Umgebung, die begeistert klatschten und einzelnen Umzugsteilnehmern irgendetwas zuriefen. »Da kennt wieder jeder jeden. Das ist der ganze Witz an der Sache.«
    »Bloß wir kennen wie immer niemanden. Hoffentlich kommen bald diese Faschingswägen«, sagte Fiona.
    Morgenstern war gerade in Versuchung, sich mit seinen Gedanken schon wieder im Speicher der Spitalkirche zu verirren, als er in einiger Entfernung eine Art Triumphbogen bemerkte. Ein Schützenverein hatte Holzstangen zusammengezimmert und mit Buchsgirlanden und Blumen verziert. »Jessica Grasbauer: Unsere Bayerische Meisterin« stand in altdeutscher Schrift auf einem Schild, das in der Mitte des Bogens befestigt war. Der Bogen wurde von zwei jungen Burschen in Lederhosen getragen. Doch Morgenstern nahm sie gar nicht wahr. Wie gebannt starrte er auf die junge Frau, fast noch ein Mädchen, die unter diesem Schild zum Takt der Marschmusik lief. In einem teuren Dirndl, die langen braunen Haare kunstvoll frisiert und nach oben gesteckt. Hübsch gemacht für den großen Auftritt vor mehreren tausend Zuschauern.
    Morgenstern drängte sich rücksichtslos nach vorne, um die junge Frau genau zu sehen. »Unsere Bayerische Meisterin«, murmelte er leise, und es fiel ihm ein, dass er darüber vor längerer Zeit etwas im Eichstätter Kurier gelesen hatte. Dass der Schützengau Eichstätt einer der erfolgreichsten in ganz Deutschland sei und dort schon seit Jahren die Frauen die größten Erfolge feierten und sogar schon deutsche Meisterschaften gewonnen hätten. »Auf Goldmedaillen abonniert« oder so ähnlich hatte die Überschrift gelautet. Morgenstern hatte den Artikel damals nicht zu Ende gelesen.
    »Jessica – Jessica Grasbauer«, las er noch einmal, wie um ganz sicherzugehen. Und mit einem Mal wusste er, dass er dieses blasse Mädchen mit den hübschen Grübchen in den Wangen schon einmal gesehen hatte: in Walburga Zinsmeisters Küche, auf einem Foto, Arm in Arm mit Jonas Zinsmeister. Und mit einem Mal fiel ihm auch die Gruppe Jugendlicher ein, die am Samstagabend an der Hubertus-Halle so viel besser getroffen hatte als Morgenstern. Eine Gruppe, die ein Mädchen mit langen braunen Haaren angefeuert hatte. Ein Mädchen, das immer getroffen hatte und
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