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Walburgisöl - Oberbayern-Krimi

Walburgisöl - Oberbayern-Krimi

Titel: Walburgisöl - Oberbayern-Krimi
Autoren: emons Verlag
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Morgenstern erkannte trotz des Schummerlichts auf den ersten Blick, was es war. Vergeblich suchte er nach einem witzigen, zumindest ironischen Kommentar zu dem, was er sah, doch ihm fehlten in jeder Hinsicht die Worte. Schweigend blickte er ein ums andere Mal auf das Bild und dann wieder auf Fiona, deren Lächeln ihr mittlerweile ins Gesicht gemeißelt schien. Schließlich ergriff sie das Wort.
    »Das habe ich gemalt, als du am Strand geschnarcht hast. Vorsicht, die Farbe ist noch feucht.«
    »Ähmmmm«, brummte Morgenstern.
    »Es ist das erste Mal, dass ich meine Malsachen mit in den Urlaub genommen habe. Aber das war mir einfach wichtig. Gefällt es dir?«
    »Doch, doch. Schon.«
    »Sei ganz ehrlich!«
    »Klar gefällt es mir. Ich mag alle deine Bilder, das weißt du doch.« Morgenstern presste sich das nasse Handtuch noch etwas fester an die Stirn. »Es kommt nur ein bisschen überraschend.« Er stockte und rang dann mit den Worten. »Ich glaube nicht, dass es eine gute Idee wäre, wenn du das da aufhängen würdest, wo ich denke, dass du es aufhängen willst«, sagte er schließlich gedrechselt.
    »Du solltest nicht so viel denken, lieber Mike. Dass du die Sache heil überstanden hast, ist ein echtes Wunder. Das haben alle gesagt, und es ist sogar im Eichstätter Kurier gestanden, in der Montagsausgabe. Deswegen musst du noch lange nicht jeden Sonntag in die Messe gehen.«
    »Das wäre ja auch noch schöner«, protestierte Morgenstern matt. Seine Kopfschmerzen wurden wieder heftiger. »Könntest du mir ein Aspirin geben?«, bat er Fiona.
    »Erst wenn du sagst, dass wir es aufhängen.«
    »Das ist Erpressung«, ächzte Morgenstern. »Aber gut: Wir hängen es auf.« Er wusste, dass Fiona ihren Kopf so oder so am Ende durchsetzen würde.
    Wenig später leerte er mit langsamen Schlucken das Glas Wasser mit der aufgelösten Kopfschmerztablette. Es dauerte noch einige Minuten, dann wich der Druck, der bis dahin auf seinen Hirnwindungen gelastet hatte. Morgenstern rappelte sich auf, ging ganz nahe an das Bild auf dem Holzbrett heran.
    Das Bild zeigte die Eichstätter Spitalkirche, von deren Dach ein Mensch kopfüber in die Altmühl stürzte. Darüber stand in Großbuchstaben: »Walburga hat geholfen!« Morgenstern blieb stumm.
    »Und, was sagst du dazu?«, fragte Fiona erwartungsvoll.
    Morgenstern dachte eine Weile nach.
    »Nun sag schon!«, drängte Fiona.
    Morgenstern räusperte sich kurz, dann nuschelte er: »Schwein gehabt!«

NACHWORT
    Am Abend des 24. April 1945 mussten zwei mutige Männer in Eichstätt ihre Zivilcourage mit dem Leben büßen: Valentin Kriegl und Ludwig Lamour hatten versucht, die Sprengung der Spitalbrücke, die in der Stadtmitte über die Altmühl führte, zu verhindern, indem sie heimlich die Sprengkabel durchschnitten. Die beiden wurden im Laufe des Vormittags an die SS verraten, festgenommen und öffentlich an Bäumen auf dem Leonrodplatz aufgehängt. Die Spitalbrücke wurde noch in derselben Nacht gesprengt. Am nächsten Vormittag, am 25. April 1945, rückte die amerikanische Armee in Eichstätt ein.
    Die Erinnerung an dieses schreckliche Ereignis war in Eichstätt jahrzehntelang verschüttet, scheinbar behaftet mit dem hässlichen Etikett von Sabotage und Verrat. 1985 wurde ein Antrag der Grünen im Eichstätter Stadtrat, den beiden Männern eine Gedenktafel am Leonrodplatz zu widmen, mehrheitlich abgelehnt. Zum 50. Jahrestag des Kriegsendes 1995 befragte der Lokalredakteur des Eichstätter Kurier, mein langjähriger Kollege und Freund Josef Ettle, Zeitzeugen. Die Ergebnisse seiner umfangreichen Recherchen über das Kriegsende in Eichstätt sind im Buch »Die weiße Fahne«, erschienen im Malepartus Verlag, nachzulesen. Auch andere Heimatforscher gehen seit wenigen Jahren offen und ungezwungen mit diesem Thema um.
    In »Walburgisöl« wurde diese Geschichte weitergesponnen und – als schriftstellerischer Kunstgriff – um einen dritten Mann erweitert, um die Geschichte der beiden authentischen Opfer nicht zu verfälschen. Wer die beiden am Vormittag des 24. April 1945 an die SS verraten hat, wurde nie bekannt.
    Richard Auer

Nicola Förg
    MARKTTREIBEN
    Oberbayern Krimi
    ISBN 978-3-86358-026-1
    »Nicola Förg prangert in ihrem Krimi die fehlende Zivilcourage an.«
    Garmisch-Partenkirchener Tagblatt
    »Nicola Förg hat die Befindlichkeiten der Menschen im Oberland und ihrer Romanfiguren einmal mehr geschickt mit der Handlung in ›Markttreiben‹ verwoben.«
    Kreisbote

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