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Waisen des Alls

Waisen des Alls

Titel: Waisen des Alls
Autoren: Michael Cobley
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freundliche Begrüßung durch die drei Wachposten Nikolais Aussage zu bestätigen. Alle drei trugen gleichartige Tarnanzüge aus Leder und Juteleinen und hatten alte Hinterlader dabei, welche die eine oder andere Modifikation aufwiesen. Der Älteste, ein kahlköpfiger Mann mit tätowiertem Schädel, begrüßte die Firmanows mit ironischer Vertraulichkeit, dann öffnete er das Tor, das in den Berg hineinführte, und forderte sie mit einer Handbewegung auf, hindurchzutreten.
    Der Weg führte durch ein Labyrinth von Tunneln mit Zwischenetagen und Seitengängen. Greg war noch nie in Belskirnir gewesen und versuchte anfänglich, sich den Weg einzuprägen, doch als ihm klarwurde, dass ihre Führer sie mit Umwegen zu verwirren suchten, gab er es auf. Streckenweise wurden die kalten Gänge von Talglampen erhellt, und irgendwann vernahm Greg Gesang. Bald darauf gelangten sie auf einen behauenen Felsvorsprung, der Ausblick bot in eine große Höhle, die widerhallte vom Lärmen mehrerer Hundert Männer und Frauen, die um Tische herum auf Hockern saßen. Das Ganze war im Wesentlichen eine einzige große Taverne. Als Nächstes fiel ihm die miefige Mischung aus Körpergeruch, Qualm, schalem Bier und Speiseduft auf. Ihm knurrte der Magen. Dann entdeckte er die Marktbuden an den Höhlenwänden;
an einigen wurden einfache Gerichte gebraten oder gekocht.
    »Ich muss was essen«, sagte er zu Alexej. »Ich bin kurz davor, meine eigenen Zehennägel zu verspeisen!«
    Alexej nickte. »Ja, gut - wo sollen wir den Typ treffen?«
    »Im Rettungsboot.«
    »Verstehe - das liegt da drüben.«
    Er zeigte auf eine langgestreckte Galerie an der gegenüberliegenden Wand, wo sich die Feiernden drängten, die anscheinend mehrere verschiedene Lieder gleichzeitig sangen. Nikolai nickte und informierte ihren Führer, der ihnen Glück wünschte und sich verabschiedete.
    Die Höhlenwände wiesen zahlreiche Hohlräume auf. In einigen waren kleine Läden oder Schlafplätze untergebracht, aus anderen ragten eigentümlich schiefe Hütten hervor. Als sie sich dem Rettungsboot näherten, stimmten dessen Gäste ein neues Lied an, »Regin der Schmied«. Onkel Theo hatte es Greg früher oft vorgesungen, wenn er mit seinen Eltern in dessen Haus in Neu-Kelso auf Besuch war. An diese Besuche erinnerte er sich, als ein Vorsänger die einzelnen Strophen vortrug, während die anderen den Refrain grölten. Das Lied erzählte die Geschichte von Regin, dem Schmied und Schwertmacher, der dem Helden Siegfried geholfen hatte, den Drachen Fanir zu erschlagen, später aber seinerseits Siegfried nach dem Leben trachtete; der Held aber kam dahinter und machte mit dem Schmied kurzen Prozess.
    Auf der Galerie drängten sich so viele Menschen, dass es nur noch Stehplätze gab. Während sich die Firmanows zur Bar wandten, hielten Greg und Kao Chih sich im Hintergrund. Kao Chih hatte sich ein kariertes Halstuch vors Gesicht gebunden und die Kappe tief in die Stirn gezogen. Greg ließ das Gewühl auf sich wirken, musterte verstohlen
die Gesichter und Köpfe und hielt Ausschau nach Washutkins Mittelsmann. »Regin der Schmied« war fast zu Ende, und zahlreiche Dariener, Männer wie Frauen, sangen lautstark den Refrain, angeführt von einem breitschultrigen, schwarzhaarigen Mann mit kurzärmligem Lederwams, der den Takt mit einem leeren Humpen vorgab. Alexej tauchte mit zwei Schüsseln eines schmackhaften Fleisch- und Gemüsegerichts auf, die Greg und Kao Chih dankbar entgegennahmen und hinunterschlangen.
    »Und wie sieht der Bote aus?«
    Greg zuckte die Achseln. »In der Nachricht hieß es, der Mittelsmann und dessen Leibwächter würden heute und morgen zwischen Sonnenaufgang und Mitternacht hier sein.« Er hielt inne, um zu kauen. »Dann warten wir also … auf zwei Personen. Mehr weiß ich nicht.«
    Nikolai runzelte kurz die Stirn, dann lächelte er. »Ich hab’s - wir warten einfach ab, wer bis zum Schluss dableibt, und sagen ihnen dann Hallo.«
    »Ich glaube, das geht einfacher«, meinte Greg und sah an ihm vorbei. Am großen Tisch war der Gesang verstummt, und der kräftige, schwarzhaarige Mann unterhielt sich mit einer grauhaarigen Frau in Jagdkleidung. Dabei schaute die Frau immer wieder zu Greg herüber, und auch der große Mann, offenbar Washutkins Mittelsmann, blickte sich um und zeigte dabei sein Gesicht.
    Es war Washutkin persönlich.
    »Ist das …?«, fragte Alexej.
    »Aye.«
    »Hmm. Ohne Schnurrbart nur schwer zu erkennen.«
    Nun tauchte Nikolai neben Washutkin und dessen
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