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Wahrheit (Krimipreis 2012)

Titel: Wahrheit (Krimipreis 2012)
Autoren: Peter Temple
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davon, bis Sie etwas haben, es bringt ja nichts, wenn…«
    »Falls wir die Frau nicht vorher identifizieren«, sagte Villani, »will ich sie morgen in sämtlichen Nachrichtensendungen haben.«
    »Versprochen«, sagte Searle. »Und dabei muss man nicht betonen, dass es im Prosilio passiert ist, die Frau muss identifiziert werden, das ist im Grunde …«
    »Wir unterhalten uns morgen«, unterbrach ihn Villani. »Habe Anrufer in der Leitung.«
    »Inspector.«
    Villani saß lange einfach nur da, Kopf im Nacken, Augen geschlossen, und dachte an die Kindfrau, die genau wie Lizzie aussah und in einer gläsernen Badewanne in einem gläsernen Badezimmer lag, hoch über der befleckten Welt.
    Drei Sicherheitsebenen, Alarmknöpfe, so viele Hindernisse, so abgeschirmt. Und doch herrschte die Angst. Er sah die Haut der jungen Frau, grau wie die früheste Morgendämmerung, er sah die sanfte Vertiefung zwischen ihren Hüftknochen und ihrem Schamhaar, in dem sich Tröpfchen sammelten wie in einer Wüstenpflanze.
    Das Wasser war von Substanzen durchsetzt, geschäumt und beschmutzt gewesen, die ihr Körper von sich gegeben hatte. Villani war froh, das nicht gesehen zu haben.
    Es war Zeit aufzubrechen, den Tag zu beenden.

    Er hatte keinen, mit dem er noch etwas trinken konnte. Das ging jetzt nicht mehr, er war der Chef.
    Nach Hause fahren. Wo niemand war.
    Er rief Bob Villanis Nummer an, sah den Flur im Haus seines Vaters vor sich, das Telefon auf dem wackligen Tisch, hörte das beharrliche Klingeln, sah den Hund horchen, mit schräg gelegtem Kopf. Er wartete nicht, bis es aufhörte zu klingeln.
    Inspector. Leiter des Morddezernats.
    Er wusste, er würde es machen, wartete aber, zögerte es hinaus, ging zum Schrank und fand die Karte mit ihrer spitzen Handschrift. Er setzte sich, drückte die Tasten, eine Handynummer.
    »Hallo.«
    »Stephen Villani. Falls ich die richtige Nummer habe, erforsche ich gerade die Möglichkeit, jemanden wiederzusehen.«
    »Es ist die richtige Nummer, Forscher. Wann schwebt dir denn vor?«
    »Nun, egal, wann.«
    »Heute Abend beispielsweise?«
    Er konnte sein Glück nicht fassen. »Heute Abend beispielsweise, das würde mir vorschweben, ja.«
    »Ich kann meine Pläne ändern«, sagte sie mit ihrer arroganten Stimme. »In … oh, etwa einer Stunde kann ich in meiner Wohnung sein.«
    »Möchtest du deine Pläne ändern?«
    »Da muss ich überlegen. Ja, ich möchte meine Pläne ändern. «
    »Tja, ich kann da sein.«
    »Iss nichts. Sei hungrig.«
    »So funktioniert Hunger also«, sagte Villani. »Gib mir die Adresse.«
    »South Melbourne. Minter Street achtzehn. Exeter Place. Apartment zwölf.«

    Er fühlte das Blut in seinen Adern, die leichte Anspannung in seinem Brustkorb, wie im Boxring, ehe die Glocke ertönte, ehe der Kampf begann.

Z ufriedenstellend«, sagte Anna Markam.
    »Bekomme ich eine präzisere Note?«, fragte Villani.
    Er lag auf der Seite, küsste ihren Wangenknochen. Anna drehte den Kopf, fand seinen Mund. Es war ein guter Kuss.
    »In dieser Phase ist es eine binäre Angelegenheit«, sagte sie. »Zufriedenstellend - nicht zufriedenstellend.«
    »Vor meinem Anruf«, sagte er. »Wohin warst du unterwegs ?«
    »Ins Theater.«
    »Mit?«
    »Begleitung.«
    »Einem Mann?«
    »Schon möglich.«
    »Das ließe sich herausfinden.«
    »Ich mag Ungewissheit«, sagte Anna. »Willst du nicht wissen, welches Stück?«
    Ein Test. Villani spürte die große Kluft zwischen ihnen. Sie hatte studiert, die Wohnung war voller Bücher, Gemälde, auf einem Sideboard CDs mit klassischer Musik. Seine Bildung beschränkte sich auf die Schule, wo er wenig gelernt hatte, an das er sich noch erinnerte, auf der Highschool hatte er in einem Theaterstück mitgespielt, zwangsverpflichtet von einer resoluten Lehrerin, deren Gesicht er jetzt vor sich sah. Ms. Davis, sie bestand auf dem Ms. Was er über Kunst und Musik wusste, hatte er Laurie zu verdanken, die ihn mitschleppte, bis sie es leid war. Er las Zeitung, das hatte er von
Bob übernommen, und wenn er nachts nicht schlafen konnte, sah er sich Filme an.
    Und Bäume, er wusste eine ganze Menge über Bäume. Zum Beispiel kannte er die botanischen Bezeichnungen von etwa fünfzig Eichenarten.
    »Welches Stück?«, sagte er.
    » Der Sturm . Shakespeare.«
    »Nie davon gehört.«
    Er legte den Kopf in den Nacken und sagte nach einer Weile: »Wie dieses Scheines lockrer Bau, so werden die wolkenhohen Türme, die Paläste, die hehren Tempel, selbst der große Ball, ja, was daran
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