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Wahnsinns Liebe

Wahnsinns Liebe

Titel: Wahnsinns Liebe
Autoren: Lea Singer
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fummelt ungeschickt und stöhnt. »Mach auf.«
    Sie öffnet die Knöpfe und lächelt in ihren Ausschnitt hinein – vor zwei Stunden erst hat sie die Bluse auf die nackte Haut angezogen, weil sie hungrig geworden waren von der Liebe. Da wird sie starr, hebt den Kopf, spannt die Halsmuskeln an. »Hörst du das – hörst du?«
    Beide atmen nicht. Es ist still. Mathildes Kopf fällt schwer auf das Bett zurück. Er greift in ihr Haar, zieht die Nadeln heraus und streicht das Fell nach unten. Da spürt er, wie ihr Rücken wieder hart wird, ihr Kopf sich wieder hebt. »Hörst du das nicht?«
    Jetzt hört er es auch; Stimmen im Treppenhaus, dann Schritte die Stiegen herauf.
    Mathilde zittert.
    »Was ist mir dir?«
    »Da draußen hat jemand was gefragt …«
    Er dreht ihren Körper zu sich, legt ihren Kopf auf |226| seine Brust und seine freie Hand auf ihr Ohr, damit sie nichts hört außer ihm.
    Aber ihr Zittern nimmt zu. »Du weißt es auch«, sagt sie. »Da hat jemand nach uns gefragt. Ich habe so oft geträumt, wie das ist, wenn sie einen holen.«
    Er streicht ihre langen Haare nach vorn über ihre nackten Brüste. »Was meinst du mit: einen holen?«
    »Einen holen … einen holen. Du weißt doch, was das heißt.«
    Ihre Zähne schlagen aufeinander. »Einen ohne Vorwarnung herausreißen aus dem Leben, wann sie wollen, egal, was du grade tust, was du am Leib hast, wer bei dir ist oder dich erwartet. Ob du grade am Essen oder am Scheißen bist, ob du nackt bist oder zum Ausgehen bereit, ob dein Geliebter bei dir ist oder dein Kind, oder ob du gleich eins kriegst. Das heißt: einen holen.«
    Er fängt wieder an, ihr Haar zu streicheln und durch das Haar hindurch die Brüste. »Liebste, wer sollte dich holen? Hab keine Angst. Wir begehen hier doch kein Verbrechen.«
    »Sie holen immer die, von denen keiner dabei war, als sie die Gesetze fürs Holen gemacht haben.«
    Ein dumpfer Klang von der Tür. Als schlüge jemand mit einer weich verpackten Faust drauf. Noch einmal. Und noch mal.
    »Wer soll denn wissen, daß wir hier sind?«
    Mathilde lächelt, und es ist gut, daß er es nicht sieht. Denn das Lächeln ist schlimmer, als schrie sie.
    »Ach, mein Guter. Was bist du arglos. Wenn wir uns taufen lassen, das ist, wie wenn Kinder die Augen zumachen und meinen, dann sehe sie keiner mehr. Und daß wir hier uns einbilden, wir …«
    |227| Er senkt seine Stimme, weil er merkt, daß sie flackert. »Steigre dich nicht in etwas hinein. Bitte.« Er streichelt mit jenem Gleichmaß, das Kinder zumindest beruhigt.
    Jetzt wirft sich jemand gegen die Tür. Putz rieselt hörbar auf den Boden.
    Mathilde steht auf wie in Trance, geht zur Tür mit offener Bluse. Und reißt die Tür mit einem Ruck auf, als könnte sie einen Lauscher, der daran lehnt, so zum Stürzen bringen. Doch der da draußen steht einen halben Schritt von der Schwelle entfernt. Seine Brille ist beschlagen, sein Kragen hochgeklappt, seine Stirn liegt im Schatten der Hutkrempe. Doch sie erkennt den Mann ohne Gesicht sofort an seinem Mund, der keine Lippen hat. Denn sie hat sich immer gefragt, wie ein Mensch ohne Lippen Musik machen kann. Noch nie konnte sie diesen Webern leiden, den ihr Mann ein aufsteigendes Gestirn nennt.
    »Ihre Kinder sind am Sterben«, sagt er.
    »Was?« Mathilde steht da in ihrem Haar mit ihren weißen Brüsten und kann weder die Bluse schließen noch das Haar verknoten. »Was reden Sie da? Die Kinder waren ganz gesund, als ich gegangen bin, ganz und gar gesund. Und Mitzi hat mir erst letzte Woche gesagt …«
    »Gesund? Ihre Kinder gesund? Die verenden gottesjämmerlich. Sie schauen schon aus wie räudige Katzen. Ungepflegt, grindig, aufgedunsen, von innen heraus krank.«
    Er legt die behandschuhte Hand auf Mathildes Schulter. Und sieht, wie hinter ihr Gerstl auftaucht, ein Laken um den Unterleib, sonst nackt bis zu den Füßen.
    »Webern, nehmen Sie sofort Ihre Finger von meiner Frau.«
    |228| »Gerstl, Sie sind verrückt. Das ist nicht Ihre Frau, das ist nur eine, die Sie mit Ihrem Wahnsinn angesteckt haben. Reicht es Ihnen denn nicht, daß Sie ein Genie auf dem Gewissen haben? Müssen Sie sich auch noch an den Kindern vergehen?«
    Mathildes Stimme wird scharf. »Hat er Sie geschickt, Webern? Hat er Ihnen gesagt …«
    Webern legt seine andere Hand auf Mathildes andere Schulter und rüttelt sie. »Wachen Sie auf aus Ihrem Delirium. Holen Sie sich was zum Anziehen und kommen Sie mit.«
    Sie hat glasige Augen, als sie sich umwendet und an Gerstl
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