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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key
Autoren: Stephen King
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gebrochen. Kot und Blut quollen träge zwischen seinen gebrochenen Hinterläufen hervor. Er sah zu mir auf, und ich erkannte in seinem Blick einen grässlich hoffnungsvollen Ausdruck. Seine Zunge kam langsam heraus und leckte die Innenseite meines linken Handgelenks. Sie war trocken wie ein Teppich und kalt. Gandalf würde sterben, aber vielleicht nicht früh genug. Sicher kam Monica bald wieder heraus, und ich wollte nicht, dass er dann noch lebte und ihr das Handgelenk lecken konnte.
    Mir war klar, was ich tun musste. Beobachten konnte mich dabei niemand. Monica und ihre Mutter waren im Haus. Mrs. Fevereau kehrte mir weiter den Rücken zu. Falls andere in dieser kleinen Sackgasse ans Fenster (oder auf ihren Rasen) gekommen waren, versperrte der Hummer ihnen den Blick auf mich, wie ich neben dem Hund kniete und mein schlimmes rechtes Bein unbeholfen ausgestreckt hielt. Ich hatte ein paar Augenblicke Zeit, aber nur wenige, und wenn ich zu lange überlegte, war meine Chance verspielt.
    Also umschlang ich Gandalfs vordere Körperhälfte mit meinem heilen Arm und bin ohne Übergang wieder auf der Baustelle in der Sutton Avenue, wo die Freemantle Company beim Aushub für den Bau eines vierzigstöckigen Bankgebäudes ist. Ich sitze in meinem Pick-up. Im Autoradio singt Reba McEntire »Fancy«. Plötzlich merke ich, dass der Kran zu laut ist, obwohl ich kein piepsendes Warnsignal gehört habe, und als ich nach rechts sehe, ist die Welt vor diesem Fenster verschwunden. Die Welt auf dieser Seite ist durch Gelb ersetzt worden. Dort schweben schwarze Buchstaben: LINK-BELT . Sie schwellen an. Ich drehe das Lenkrad des Rams hastig nach links, kurble bis zum Anschlag, weiß aber, dass meine Reaktion zu spät kommt, als das Kreischen eingedrückten, reißenden Metalls beginnt, das den Song im Radio übertönt und das Fahrerhaus von rechts nach links schrumpfen lässt, weil der Kran in meinen Raum eindringt, mir meinen Raum stiehlt , und der Pick-up zu kippen beginnt. Ich versuche die Fahrertür zu öffnen, aber das geht nicht mehr. Das hätte ich sofort tun sollen, aber es war sehr schnell für alles zu spät. Die Welt vor mir verschwindet, als die Windschutzscheibe zu einer milchweißen Fläche wird, die von einer Million Rissen durchzogen ist. Dann kehrt die Baustelle zurück, scheint langsam weiterzukippen, als die Frontscheibe herausspringt. Herausspringt? Sie fliegt raus wie eine zu heftig gebogene Spielkarte, und ich drücke mit beiden Ellbogen auf die Hupe, was für meinen rechten Arm der letzte Job ist. Der Kranmotor ist so laut, dass ich mein Hupen kaum hören kann. Der LINK-BELT rasselt unaufhaltsam weiter, drückt die Beifahrertür ein, quetscht den rechten Fußraum zusammen und demoliert das Armaturenbrett, das in gezackte Kunststoffteile zersplittert. Der Scheiß aus dem Handschuhfach schwebt in der Luft, das Radio verstummt, mein Schreibbrett klirrt gegen den Henkelmann, und hier kommt der LINK-BELT ! Der LINK-BELT begräbt mich unter sich; ich könnte die Zunge herausstrecken und den gottverdammten Bindestrich ablecken. Ich beginne zu kreischen, denn nun setzt der Druck ein. Er beginnt im rechten Arm, der erst gegen meine Seite gepresst, dann flach gequetscht und aufgerissen wird. Blut ergießt sich in meinen Schoß wie ein Eimer heißes Wasser, und ich höre etwas zerbrechen. Vermutlich meine Rippen. Es klingt wie Hühnerknochen unter einem Stiefelabsatz.
    Ich hielt Gandalf an mich gedrückt und dachte: Hol den Freund, setz dich auf den Freund, setz dich auf den gottverdammten KUMPEL, du dumbe Kuh!
    Und jetzt sitze ich auf dem Freund, sitze auf dem gottverdammten Kumpel, ich bin zu Hause, aber mein Zuhause fühlt sich nicht wie ein Zuhause an, weil in meinem angeknacksten Kopf alle Uhren Europas schlagen, und ich kann mich nicht an den Namen der Puppe erinnern, die Kamen mir mitgebracht hat, mir fallen nur Jungennamen ein: Randall, Russell, Rudolph, River-fucking-Phoenix. Ich fordere sie auf, mich in Ruhe zu lassen, als sie mit dem Obst und der gottverdammten Quarkspeise reinkommt, ich sage ihr, dass ich fünf Minuten Zeit brauche. Ich schaffe das, sage ich, weil das der Satz ist, den Kamen mir gegeben hat, er ist der Notausstieg, er ist das Miep-miep-miep , das warnt: Vorsicht, Pammy, Edgar setzt zurück. Aber statt zu gehen, nimmt sie die Serviette vom Tablett, um mir den Schweiß von der Stirn zu wischen, und während sie das tut, packe ich sie an der Gurgel, weil es mir in diesem Augenblick so vorkommt, als
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