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Wärst du doch hier

Wärst du doch hier

Titel: Wärst du doch hier
Autoren: Graham Swift
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wurde nichts gesagt, obwohl Jack mit ernster Stimme erwähnt hatte, sein Vater sei »nicht mehr bei uns«, worauf die Robinsons ihr Beileid ausdrückten, in der Annahme, dass Jacks Gründe für den Verkauf damit zusammenhingen. Wenigstens ließ es in Clare ein gewisses Mitgefühl für Jack aufkommen (was für ein mächtiges, bedächtiges Wesen er doch zu sein schien), und auch Toby sah davon ab, zu sehr um den Preis zu feilschen, hielt es allerdings für möglich, dass Jack genau deswegen den Tod seines Vaters erwähnt hatte.
    Falls die Robinsons danach trotzdem die Vermutung zu hegen begannen, der alte Mr.   Luxton könne Selbstmord begangen haben, dann nicht, weil sie begriffen, dass der Rinderwahn auch zu einem Rückgang der menschlichen Bevölkerung führen konnte (auch wenn sie selbst den Verzehr von Rindfleisch stark eingeschränkt hatten), und mit Sicherheit nicht, weil einer ihrer neuen Nachbarn   – die sie ohnehin selten genug zu Gesicht bekamen   – ihnen erzählt hatte, dass Michael sich unter dem Baum erschossen hatte. So dumm waren die Nachbarn nicht. Wozu hätte das dienen sollen? Mit Sicherheit hätte es Jack nicht bei den Verkaufsverhandlungen geholfen. Auch die Anwälte hatten nichts gesagt. Weder gehörte es unbedingt zu ihrem Geschäft, noch hätte es einer Transaktion genützt, die schon kompliziert genug war, die aber beide Seiten so schnell wie möglich zum Abschluss bringen wollten.
    Falls die Robinsons dennoch eine Ahnung hatten, dannhatten sie bestimmt nicht die Absicht, ihr nachzugehen. Sie waren glücklich in ihrer Unkenntnis. Die Zeit der über zwei Jahre währenden Bauarbeiten wirkte wie ein Vorhang, und nachdem sie das Haus in Besitz genommen hatten, hielten sie sich von den Nachbarn fern. Sie waren ja keine ständigen Bewohner. Um sie herum gehörte alles der Molkereigenossenschaft, so dass sie von den restlichen Einwohnern abgeschirmt waren, was ihnen zupass kam. Sie hatten ein jahrhundertealtes Farmhaus gekauft, aber ein Großteil der alten Substanz hatten sie zerstört, und jetzt waren sie auch an der neueren Geschichte des Hauses bemerkenswert uninteressiert.
    Als Jack den Robinsons das Haus verkaufte, hatte er den starken Eindruck, dass es zumindest für Toby Robinson einfach ein Objekt wie jedes andere Objekt war, das er hätte kaufen können und vielleicht später wieder verkaufen würde. Anfangs hatte Jack das erstaunt: dass jemand etwas, das den Luxtons seit Generationen gehörte, kaufen wollte, so wie er ein Bild kaufen würde, um es an die Wand zu hängen. Eine Weile hatte er deswegen die Verhandlungen nicht weiterführen wollen, doch Ellie hatte gesagt, er solle sich nicht so anstellen. Jack vermutete, wenn Toby Robinson erfahren hätte, dass Michael sich unter dem Baum das Gehirn weggeschossen hatte, dann hätte er diese Information, ohne besonders von ihr verstört zu sein, vielleicht zum Vorwand genommen, den Preis zu drücken. Was jedoch Clare Robinsons »Investition«   – im weitesten Sinne   – in das Haus anging, so hatte Jack das Gefühl, dass die ganz anderer Art war. Für sie war es tatsächlich von Bedeutung   – sie war diejenige, die das Haus wirklich wollte. Als es dann so aussah, als würdeder Verkauf zustande kommen, hoffte er, sie würde nie etwas über das Loch erfahren. Er hoffte, niemand würde ihr in letzter Minute davon erzählen.
    Hätte Toby Robinson zufälligerweise erfahren, dass   – und wie   – Michael Luxton Selbstmord begangen hatte, hätte er wahrscheinlich gedacht: Na und? Na und! Seine Idee mit dem verrückten Bullen wäre dann ein bisschen unpassend gewesen, aber war der Baum   – waren die Bäume   – deshalb irgendwie schlechter? Clare hingegen hätte vielleicht nachhaltiger unter dem flüchtigen Schauder gelitten und nichts darüber gesagt. Auch das Gefühl der Verstörung, das sich beim Überfliegen einer Zeitungsnotiz eingestellt hatte, wäre womöglich deutlicher gewesen.
    »Thomas Luxton.« Sollten sie hingehen, dachte sie, müssten sie
da
sein? Wenn der Arme in »ihrem« Farmhaus aufgewachsen war, sollten sie sich dann vielleicht zeigen? Sie selbst hatte zwei Söhne, Charlie und Paul, die sie allerdings nicht als zukünftige Soldaten sah. Während der Herbstferien waren sie da gewesen; war das jetzt wirklich ihre Angelegenheit, waren sie dazu verpflichtet? Sie beschloss, dass es keine Düsternis verbreiten sollte. Sie würde es Toby gegenüber nicht erwähnen, wenn er nichts sagte. Und sie wusste, dass er das
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