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Wärst du doch hier

Wärst du doch hier

Titel: Wärst du doch hier
Autoren: Graham Swift
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Ich fahre zur Polizei in Newport. Ich erzähle denen da, was du mir gerade erzählt hast. Ich erzähle ihnen, was du bist.«
    Und sie sah aus, als würde sie das wirklich tun. So sah sie aus. Sie sah aus, als wollte sie die Polizei holen.
    Sie ging raus. Schlug die Tür hinter sich zu. Die Wand schien zu erbeben. Er hörte, wie der Cherokee abfuhr. Regentropfen begannen an die Scheibe zu prasseln. Er hatte gedacht: Das hatte ihn auf dem falschen Fuß erwischt, hatte seine Pläne durcheinandergebracht. Dann dachte er: Nein, eigentlich nicht. Nach einer Weile, als er nur noch den Wind hörte und den Regen und nachdem er den Grill am Herd ausgestellt hatte, wo mehrere Streifen Bacon   – warm, schön knusprig und unangetastet   – lagen, ging er zu dem Schrank mit dem Gewehr. Er nahm das Gewehr heraus, er nahm die Schachtel mit den Patronen heraus. Wann hatte er das letzte Mal das Gewehr benutzt? Es hatte lauter gute Gründe gegeben, sich seiner zu entledigen. Es hatte auch lauter gute Gründe gegeben, es nicht zu tun. Es war das Letzte, was sein Vater angefasst hatte.
    Er ging ins Schlafzimmer und legte das geladene Gewehr aufs Bett. Steckte ein paar Patronen aus der Schachtel in seine Tasche. Das war viel besser, das war richtig gut. Jetzt war er vorbereitet, er war ruhig. Das Wetter war wild, aber er war ganz ruhig. Und ganz gleich, ob sie   – Ellie   – das, was sie angedroht hatte, tun würde oder nicht, sie müsste bald umkehren, davon war er überzeugt. Irgendwie war darin auch eine Gerechtigkeit. Als wäre ihre Reise einfach eine kürzere, kompaktere Version seiner eigenen.

32
    Die Robinsons hatten das Haus, Jebb Farmhouse, zehn Jahre bevor Jack vor dem weißen Tor mit diesem Namen stand, gekauft, und die Robinsons waren es auch, Clare und Toby, die umfassende und kostspielige Renovierungsarbeiten hatten durchführen lassen, von denen Jack kaum etwas sah, da er nicht durch das Tor gelangte, aber dazu gehörte auch, dass die Zufahrt (»Fahrweg« konnte man nicht länger sagen, es musste jetzt »Zufahrt« heißen) befestigt   – das hatte Jack sehen können- und ein neues Tor installiert worden war.
    Erst der Kauf, dann die Modernisierung. Die Investition der Robinsons war eine von Zeit und Geld gleichermaßen. Nach einer langen Phase der Planung und der Genehmigungen dauerten die Baumaßnahmen   – zu denen ein Anbau (den sie den Gästeflügel nannten), die komplette Instandsetzung des alten Hauses, der Abriss der Außengebäude und der Bau einer Doppelgarage ebenso gehörten wie die Gestaltung des Gartens, des Wendeplatzes und der Zufahrt   – alles in allem weit über zwei Jahre. Folglich waren es erst sieben Jahre, seit sie das Haus bewohnten und nutzten, und dann hauptsächlich im Sommer.
    Trotzdem sprachen sie von ihren »Jebb-Jahren« undihrem »Jebb-Leben«. Toby, in seiner Gewinn-und-Verlustsprache, sagte, es habe sich »rentiert«. Clare, die immer schon die überschwänglichere gewesen war, fühlte sich in ihrer Sichtweise, die sie gleich zu Anfang hatte, bestätigt, das Haus nicht nur als ihr Eigentum zu betrachten, sondern als Familiensitz, der zukünftigen Generationen der Robinsons weitervererbt werden würde   – ihr »Haus auf dem Lande«.
    Dennoch würde Clare sich immer an den Tag erinnern (aber niemandem etwas davon sagen)   – obwohl es kaum mehr als ein kurzer Augenblick war   –, als diese Vision ins Wanken und Taumeln geriet und alles Strahlende verlor. Seltsamerweise geschah es an einem wunderschönen sonnigen Wochenende, als alles vollkommen war und genauso, wie sie es sich immer gewünscht hatte. Es war ohnehin nichts weiter, wie sie sich sagte, als ein befremdliches Gefühl in ihrem
Inneren
. Bestimmt hatte es nichts mit dem
Haus
zu tun. Aber die Wirkung hielt so lange an, dass Clare sich fragte: Liegt es an mir? Verliere ich den Verstand? Und da die Antwort auf diese beiden Fragen ein unmissverständliches Nein war, musste es mit dem Haus zu tun haben. Dem Haus, in das sie so viel investiert hatten.
    Eine Weile lang überlegte Clare allen Ernstes, ob sie es ihrem Mann erzählen und gestehen sollte, dass sie sich, so leid es ihr tue, im Jebb House nicht mehr   – also, nicht
mehr
wohl   – fühlte. Allerdings würde das natürlich die Vermutung nahelegen, dass es doch an ihr lag, da niemand sonst das Gefühl teilte. Und wie würde Toby darauf reagieren? Zwar war er reich, aber sie wollte lieber nicht daran denken, wie viel Geld er dafür ausgegebenhatte, für
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