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Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)

Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)

Titel: Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)
Autoren: Horst Evers
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Karstadt-Konzern in den letzten Jahren so vorzuweisen hatte. Da wäre ich in der Unternehmensbilanz ziemlich weit vorne – aber hallo! Unternehmensberater würden dann wahrscheinlich dazu raten, den Konzern zu zerschlagen. Also diese verlustreiche Sparte Kaufhaus mit Sachenverkaufen und diesem ganzen Kram abzuwickeln und nur noch das gewinnträchtige Türaufhalten beizubehalten. Ballast abwerfen. Energien bündeln. So denken Gewinner!
    Obwohl, irgendwann muss man sich dann natürlich auch das Türaufhalten mal genauer anschauen. Ob man da nicht auch Abläufe optimieren könnte, Kosten reduzieren, Gewinn maximieren. Denn Gewinn muss ja sein. Sonst werden Investoren schnell missmutig oder Aktionäre unruhig. Ohne Gewinn keine Dividende. Und dann werden die Märkte nervös, verlieren Vertrauen, und hastenichtgesehen, wie schnell das dann geht mit dem Auf-Grund-Laufen!
    Die Märkte muss man immer beruhigen, die dürfen auf gar keinen Fall nervös werden, sich nicht aufregen. Das ist quasi wie mit Schlaganfallpatienten. Also wird über kurz oder lang auch das Türaufhalten optimiert. Und was kann man da schon groß anderes machen, als Personalkosten zu reduzieren. Das bin ja dann wohl ich. Wahrscheinlich ersetzt man mich durch einen Türstopper. Oder durch einen großen Stein. Ist ja auch verständlich. Vielleicht nehmen sie wenigstens einen Stein von hier. Andererseits machen osteuropäische Steine das Türaufhalten wahrscheinlich für die Hälfte, von asiatischen Steinen ganz zu schweigen.

    Jetzt stehe ich bestimmt schon seit sechs Minuten hier und halte die Tür auf. Die letzten zwei Minuten ist aber gar keiner mehr durchgegangen. Na wunderbar! Da mach ich mir die Arbeit, und dann geht keiner durch. Frechheit! Da könnte ich sie eigentlich auch zufallen lassen, die Tür. Aber was mache ich dann? Fürchte mich vor der Leere, die entstehen würde. Ich meine, ich mache das jetzt schon so lange mit dem Türaufhalten. Hab ich überhaupt noch die Kraft, die Lust, etwas Neues anzufangen? Wer will mich denn noch? Mich, einen alten, abgestandenen Türaufhalter? Was waren meine Träume vor dem Türaufhalten? Was meine Ziele? Wollte ich in das Kaufhaus rein- oder rausgehen? Wollte ich etwas kaufen? Wozu? Fehlt mir denn was?
    Atme tief durch und fasse einen Entschluss. Es ist an der Zeit, loszulassen. Ja, ich sollte die Tür wieder loslassen. Frei sein. Einfach loslassen und beide Hände wieder frei haben. Ja. Freiheit. Spüre den Wind in meinen Haaren! Die Energie in mir aufsteigen! Die Möglichkeiten leuchten! Einfach loslassen und frei sein! Jetzt! Jaaa!!!
    Oh, nun kommt aber doch noch mal jemand, der will, glaube ich, tatsächlich durch die Tür. Na, dem kann ich sie schon noch aufhalten. Auf den Moment kommt es auch nicht mehr an. Ich weiß ja jetzt, dass ich die Tür loslassen könnte. Darum geht’s ja. Es ist meine Entscheidung. Und das mit diesem Freisein, das läuft einem nun auch nicht weg.

Ich war der Kürbis
    Die Landesschau Rheinland-Pfalz ist eine dieser bunten Regionalsendungen im dritten Programm, in denen es zum Beispiel Berichte über ein Dorf gibt, das den größten Apfelstrudel der Westpfalz gebacken hat. Oder über einen Poeten im Körper eines Streifenpolizisten, der in Kaiserslautern jeden Strafzettel mit einem kleinen, selbst geschriebenen Gedicht etwas auflockert: «Hier esch emma Parkverbot, / drum musste zahle, du Idiot!»
    Im Beitrag über den Knöllchendichter trat übrigens noch ein lachender Autofahrer auf, der behauptete, mit so einem lustigen kleinen Vers zahle er die Strafgebühr doch gleich viel lieber. Der Bericht endete sogar mit dem Fazit, wie schön es doch wäre, wenn das Schule machen würde und man überall ein kleines, selbst geschriebenes Gedicht mit dem Strafzettel bekäme. Ich persönlich bin da skeptisch.
    Dann kommen auch immer wieder Berichte über Hobbygärtner, die einen wirklich gigantischen Riesenkürbis geerntet haben. Aber leider ist es gerade Ende November, die Erntezeit längst vorbei. Es gibt keine Kürbisse mehr, und deshalb lädt man dann gerne Leute wie mich ein. Ich bin sozusagen das, was normalerweise der Riesenkürbis in dieser Sendung ist.
    Die Aufnahmeleiterin drückt mir einen Zettel in die Hand mit den drei Fragen, die mir der Moderator wahrscheinlich gleich stellen wird: «Was gefällt Ihnen an Rheinland-Pfalz am besten?», «Kommt in Ihrem Programm auch Rheinland-Pfalz vor?» und «Was war Ihr lustigstes Erlebnis in Rheinland-Pfalz?».
    Starre auf den Zettel
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