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Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)

Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)

Titel: Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)
Autoren: Horst Evers
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in Deutschland herstellen und in einem Einkaufscenter verkaufen dürfen, würde man ihn wahrscheinlich «Wohlfühlwumme» nennen.
    Wenn die Bahn eine Umleitung fahren muss, nennt sie das seit einiger Zeit nicht mehr «Umleitung» oder «riesiger, lang andauernder Umweg», sondern «alternative Streckenführung». Das durfte auch ich kürzlich bei einer anderen Fahrt erleben, mittels einer freundlichen Durchsage: «Wegen einer alternativen Streckenführung hat dieser Zug zurzeit eine Verspätung von circa hundertfünf Minuten. Im Bordbistro erhalten Sie daher kostenlose Freigetränke.»
    «Kostenlose Freigetränke.» Ich an deren Stelle wäre ja lieber auf Nummer sicher gegangen und hätte gesagt: «Kostenlose Freigetränke für umsonst. Für Bahncard-Inhaber zusätzlich gratis. Bahncard- 100 -Kunden können alle Angebote kombinieren und erhalten weitere fünfzig Prozent Ermäßigung.»
    Vielleicht heißt es demnächst auch im Krankenhaus: «Wegen eines alternativen Operationsverlaufs haben wir Ihnen statt des Blinddarms leider den linken Arm entfernt. Am Stationsautomaten bieten wir Ihnen daher Freigetränke an. Bitte nutzen Sie den Automaten mit der praktischen Einhandbedienung.»
    In Cottbus gibt es ein großes Einkaufszentrum, das heißt schlicht und einfach «Blechen». Finde ich super. Ehrlich und anständig. «Blechen» – so muss man eine Kaufhalle nennen! Auch «Latzen» fände ich gut oder «Zahlemann und Söhne». Das würde mir gefallen. Nix mit «Paradies» oder «Arkaden» oder anderen Prunknamen. Stattdessen ein «Muss-ja-hilft-ja-nix-Kaufen» im «Dick-was-abdrücken-müssen-Center». Das wäre quasi eine Wahrhaftigkeit der Seinsbeschreibung menschlicher Konsumwirklichkeit, aufgrund der auch Heidegger mal ohne weiteres ein Paar Socken hätte kaufen können.

Flohmarktpädagogik
    Bin mit der Tochter auf dem Flohmarkt. Sie hat sich extra etwas von dem Geld mitgenommen, das sie von den Großeltern zum Geburtstag bekommen hat. Offensichtlich hegt sie große Pläne. Gleich am ersten Stand entdeckt sie zwei Lucky-Luke-Comics. Der ungefähr vierzehnjährige Junge, der sie verkauft, will fünf Euro für die beiden Hefte. Ehe ich reagieren kann, hat die Tochter zugeschlagen.
    Ich warte, bis wir uns ein paar Meter vom Stand entfernt haben, dann versuche ich, ihr ein paar grundlegende Flohmarktregeln zu erläutern: «Das gerade war nicht wirklich ideal. Du hättest noch handeln können.»
    Sie verzieht das Gesicht. «Ich wollte die Hefte. Außerdem sehen die noch tipptopp aus, und neu kosten die einzeln sechs Euro.»
    Ich beruhige: «Natürlich, ist ja auch in Ordnung. Aber das Handeln gehört bei einem Flohmarkt mit zum Spiel. Dann macht es noch mehr Spaß, und mit etwas Geschick hättest du die Comics auch für vier, vielleicht sogar für nur drei Euro bekommen können.»
    Sie guckt skeptisch.
    Ich erkenne eine schöne Möglichkeit, dem Kind spielerisch etwas fürs Leben beizubringen. «Man braucht da natürlich Fingerspitzengefühl. Verstehst du? Das ist eine große Kunst. Man muss die Verkäufer langsam weichkochen, sie zappeln lassen und dann: zack!, im richtigen Moment zuschnappen.»
    Zehn Minuten später, einige Stände weiter, interessiert sich das Kind für einen großen Holzbauernhof mit einigen Tieren. Der ist wirklich sehr hübsch und gibt mir eine perfekte Gelegenheit, ihr zu zeigen, wie man mit einer funkelnden Mischung aus Charme, Klugheit und kühlem Merkantilismus Herzen und Holzbauernhöfe gewinnen kann. Zunächst einmal muss man natürlich sein eigentliches Interesse, solange es nur geht, verbergen. Zeige also wahllos auf irgendetwas vom Stand und rufe der dahinter stehenden Verkäuferin zu: «Entschuldigung! Was wollen Sie denn für die große Steingutsuppenschale haben?»
    Sie blinzelt mich an. «Diese Steingutsuppenschale ist Marmor, ein Aschenbecher und kostet zwanzig Euro.»
    Ich erschrecke glaubwürdig dezent. «Ach, du meine Güte. Aber ich hab mich in die Maserung verliebt. Vorschlag: Ich gebe Ihnen fünfzehn Euro, und dafür bekomme ich dann aber noch irgendwas dazu. Was weiß ich, zum Beispiel diesen alten, abgeschrabbelten Holzbauernhof mit den paar Figuren da. Fürs Kind.»
    Ihr Blick bekommt schlagartig etwas außerordentlich Gelangweiltes. «Also erstens: Jemand mit Ihrem Gesicht sollte sich hüten, andere Sachen abgeschrabbelt zu nennen. Zweitens habe ich vergessen, und drittens», sie zieht die Nase hoch, «der Holzbauernhof kostet dreißig Euro.»
    Sehr schön, eine würdige
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