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Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)

Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)

Titel: Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)
Autoren: Horst Evers
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Teile. Macht vielleicht Spaß, nützt aber nischt. Außer dass wir dann beide müde sind. Sonst nützt es nischt.»
    Schaue auf die handgeschriebene Tafel mit den Tagesgerichten. Es stehen fast ausschließlich Fischgerichte drauf. Der Handwerker verlässt, vor sich hin brabbelnd, das Lokal. Die Wirtin schimpft ihm hinterher. Dann nimmt sie wütend die Kreide und schreibt auf die Tafel mit den Tagesgerichten: «Alles extragroße Portionen!»
    Überlege, seit wann die Kühltruhe wohl kaputt ist.
    Die Gruppe der Tischerücker hat sich jetzt auf eine Art Hufeisen geeinigt. Die Wirtin brüllt: «Das kann so nicht bleiben! Ich komm da nicht durch!» Das Diskutieren und Tischeschieben beginnt von vorn.
    In Schöneberg, erinnere ich mich, hängt in einem Fischgeschäft ein Schild: «Fangfrischer Fisch aus Griechenland!» Als ich dieses Schild zum ersten Mal gesehen habe, habe ich überlegt, wie lange so ein Durchschnittsfisch eigentlich als fangfrisch gilt und wie schnell der wohl von Griechenland nach Berlin transportiert wird. Ob der Fischladen also nicht womöglich flunkert. Kurze Zeit später sah ich im Supermarkt auf einer Tiefkühlpackung Fisch wieder das Wort «fangfrisch», weshalb ich beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken.
    Bei den Tischerückern ist aus der Diskussion jetzt ein heftiger Streit geworden. Einer aus der Gruppe, offenbar ein Mathematiklehrer, besteht darauf, die Tische gemäß einer von ihm schnell angefertigten Skizze zu stellen, weil nur so, das sei von ihm errechnet, jeder einen Platz und die exakt gleiche Menge Tischnutzfläche habe. Seine Hauptgegnerin scheint Landschaftsplanerin zu sein. Mit hochrotem Kopf brüllt sie: «Es kommt auch auf die Harmonie im Raum an!», und verlangt deshalb eine sternartige Anordnung. Ein Sozialpädagoge hingegen schlägt vor, innen zu sitzen und die Tische einfach außen rum zu stellen. So hätte er in seinen Gruppen die besten Erfahrungen gemacht. Der Großteil der inzwischen dazugekommenen Leute steht jedoch hilflos da, mit den Getränken in der Hand, und schaut den Aktivisten beim wilden Tische-hin-und-her-Reißen zu. Einer macht einen Scherz, ob man die Tische nicht auch mehrstöckig anordnen könne. Der Versuch der humorvollen Entspannung schlägt aber fehl. Im Gegenteil, er verschärft eher den Konflikt und kanalisiert die Aggressionen kurzzeitig auf ihn.
    Ich hefte meinen Blick an die Tafel mit den Tagesgerichten. Mein Freund Peter erzählt immer wieder voll Begeisterung, er habe in Brandenburg kurz nach der Wende vor einem Café eine Tafel gesehen, auf der habe wirklich gestanden: «Heißer Kaffee! Täglich frisch!» Nun, so hat halt jedes Lokal seine Spezialitäten.
    Die Wirtin kommt wieder fluchend aus der Küche. Sie wischt überall auf der Tageskarte «frischer Fisch» weg und schreibt stattdessen «panierter Fisch» hin.
    Vielleicht nehme ich doch lieber nur einen Salat.
    Oder ich gehe gleich woandershin, denn die Tischerücker brüllen mittlerweile alle wild durcheinander. Die Tische haben sie erst mal an den Rand geräumt und hocken nun in der Mitte auf dem Boden, um in einer Art Supervision doch noch eine Möglichkeit zu finden, wie alle zusammen an einem Tisch sitzen können.
    Eine junge Frau will offenkundig etwas Abstand und fragt, ob sie sich so lange zu mir setzen dürfe. Um Konversation zu betreiben, frage ich sie, warum sich die Gruppe hier treffe.
    «Ach, wir wollen eine Genossenschaft gründen und hier in Berlin zusammen ein Wohnhaus bauen.»
    Denke, während ich sehe, wie die Landschaftsplanerin dem Mathematiklehrer ihr Weizenbier ins Gesicht schüttet: Ich hab da so ein Gefühl, dass das für alle Beteiligten eine sehr intensive, erfüllende Erfahrung wird. Ein chinesisches Sprichwort lautet: «Wo Neues entstehen soll, muss Altes zusammenbrechen.» Das Alte sind hier wohl die Bauherren.

Leben und Sterben auf der Berlinale
    Bin mit der Freundin und Presseausweisen auf der Berlinale. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich dort offiziell akkreditiert. Das ist großartig. Im Berlinale Palast können wir einfach an der Schlange vorbeirauschen, zeigen unsere Plastikkärtchen und werden durchgelassen. Ein sensationelles Gefühl. Gehe sofort wieder rund zwanzig Meter zurück, um dann umzudrehen und noch mal mit meinem Kärtchen an der Schlange vorbei durch die Presseschleuse gleiten zu dürfen. Super! Das ist Savoir-vivre! Als ich zum fünften Mal diese Runde drehe, ist die Freundin schon ein bisschen genervt. Der Kontrolleur vom
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