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Während ich schlief

Während ich schlief

Titel: Während ich schlief
Autoren: Anna Sheehan
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ihr zuliebe, obwohl es im Nacken wehtat.
    »Ruh dich schön aus, Liebes. Sorge dich nicht. Wir kriegen das alles hin.«
     
    Sechs Tage später thronte ich vor der Kulisse von Unicorn Estates, meiner Luxuswohnanlage, während mindestens hundert Reporter Fotos von dem wundersamen Dornröschen schossen. So nannten sie mich.
    Ich fühlte mich nicht besonders schön oder prinzessinnenhaft. Trotz meines sechstägigen Krankenhausaufenthalts plus
vierundzwanzig Stunden päppeln und putzen, trotz der Gesundheitschecks, Vitaminspritzen und tausend anderer Behandlungen, denen man mich unterzogen hatte, war mein Haar nach wie vor strähnig und brüchig, meine Haut fahl und überempfindlich, und meine Knochen ragten derart hervor, dass ich aussah wie ein Skelett in einem Sack. Meine Augen waren schwach, mein Atem ging flach, und mir wurde übel, sobald ich versuchte, etwas zu essen. Ich fühlte mich wie eine alte Frau. Genau genommen war ich eine.
    Über achtzig im Alter von sechzehn. Noch nie hatte ich eine so lange Zeit in Stasis verbracht. Niemand hatte das je. Selbst Astronauten und Koloniebewohner wurden auf ihren Reisen zu den äußeren Planeten jeden Monat wiederbelebt, um Stasis-Erschöpfung zu vermeiden.
    Mr. Guillory sprach nun auf dem Podium, kerzengerade aufgerichtet, die goldgetönten Haare tadellos. Mr. Guillory  – »Nenn mich Reggie« – war anscheinend zu meinem Erbschaftsverwalter bestimmt worden. Da ich keine lebenden Verwandten mehr hatte, fiel ihm auch die Aufgabe zu, einen Vormund und ein Zuhause für mich zu finden. Er war Ende fünfzig, und obwohl er gewiss meinen Respekt verdiente, fiel es mir schwer, ihn zu mögen. Seine hellbraunen Augen schienen mich nicht direkt anzusehen, wenn er mit mir sprach, und erwirkte auf mich wie eine kostspielige goldene Statue. Etwas an ihm bereitete mir Unbehagen, aber er erinnerte mich auch an Daddy, daher war ich sehr höflich zu ihm.
    »Wir von UniCorp freuen uns ungemein, die junge Rosalinda gefunden zu haben«, sagte Guillory. »Als Mark und Jacqueline Fitzroy starben, ohne einen Erben zu hinterlassen, war das eine Tragödie. Dass ihre Tochter uns nun wiedergegeben wurde, empfinden wir als ungeheures Glück.«
    Eine Reporterin brüllte eine Frage dazwischen. »Was ist
dran an dem Gerücht, dass Sie versucht haben, die Nachricht von ihrer Entdeckung zu unterdrücken?«
    Guillory zuckte nicht mit der Wimper. »Vor sechs Tagen litt Rosalinda noch an extremer Stasis-Erschöpfung und einem schweren Schock. Wir hielten es für das Beste, ihr ein paar Tage Zeit zu geben, sich an ihre Situation zu gewöhnen, bevor die Medien sich auf sie stürzen und sie auf Schritt und Tritt beobachten. Es war nie unsere Absicht, die Wahrheit zu unterdrücken, nicht über das hinaus, was wir als notwendig für Rosalindas geistige und körperliche Gesundheit erachteten.«
    »Wie ist es jetzt um UniCorp bestellt, was wird künftig mit dem Unternehmen und seinen Vermögenswerten geschehen?«
    »Rosalinda ist natürlich die Alleinerbin aller unmittelbaren Anteile ihrer Eltern. Bis zum Erreichen der Mündigkeit wird ihr Vermögen jedoch von uns treuhänderisch verwaltet. UniCorp hat einen Anwalt mit ihren Angelegenheiten betraut, und alle werden nach bestem Wissen und Gewissen in ihrem Sinne handeln.«
    Die Reporterin guckte äußerst skeptisch und versuchte nachzuhaken. »Aber was ist mit ihren Anteilen am Unternehmen selbst?«
    Da ich die Antwort auch nicht wusste, starrte ich gespannt auf Guillorys Hinterkopf. Doch er überging die Frage und zeigte auf jemand anderen.
    »Wie kam es überhaupt dazu, dass Rosalinda so lange in Stasis belassen wurde?«
    Guillory wich aus. »Wie Sie wissen, waren die Fitzroys zu ihrer Zeit regelrechte Finanzgiganten. Mit ihren beträchtlichen Mitteln konnten sie schon lange vor der Dunklen Epoche eine Stase-Röhre für den persönlichen Gebrauch ihrer Familie anschaffen. Man vermutet, dass diese bei den späteren Unruhen in Vergessenheit geriet. Nächste Frage?«

    »Rosalinda ist minderjährig«, rief eine Stimme. »Wer kümmert sich jetzt um sie?«
    »Ihre Anwälte haben bereits eine gute Pflegefamilie für sie gefunden. Die Familie, die in Rosalindas ehemaliger Wohnung lebte, hat sich großzügigerweise bereiterklärt, in eine andere, gleichwertige Suite umzuziehen, sodass Rosalinda in ihre vertraute Umgebung zurückkehren kann. Die Pflegefamilie ist bereits überprüft und für geeignet befunden worden. Nächste Frage?«
    »Wie wurde sie aufgefunden? Es
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