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Wächter

Wächter

Titel: Wächter
Autoren: Baxter Clarke
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der Titan-Atmosphäre erschaffen wurden und durch den Umstand, dass die oberen Luftschichten durch die Einwirkung des Sonnenlichts und Saturns Magnetfeld in einen Hexenkessel verwandelt wurden.
    Wohin die Sonden auch schauten, fanden sie Leben. Zum Teil war dieses Leben erdähnlich - anaerobe Organismen, die im Methan im wahrsten Sinne des Worts in ihrem »Element« waren und unablässig Pfeiler und Hügel im kalten Schlamm der Kraterseen errichteten. Eine exotischere Form von Leben auf Kohlenstoffbasis, die sich mangels Wasser mit Ammoniak behalf, schwamm in der Suppe umher, die aus den Cryo-Vulkanen schwappte. Am exotischsten aber war eine Gemeinschaft von Schleim-Organismen, die Kohlenstoff-anstatt Silikonverbindungen als Grundbausteine ihrer Existenz verwendete; sie lebten in der beißenden Kälte der schwarzen, spiegelglatten Ethan-Seen.
    Die Organismen in den Kraterseen waren Verwandte der großen irdischen Lebens-Familien. Die Ammoniak-Fische aber schienen »Ureinwohner« von Titan zu sein. Der Kälte liebende Titan-Schleim stammte vielleicht von den Monden des Neptun oder von noch weiter draußen. Das Sonnensystem war
voller Leben - Leben, das überall spross; sogar in Gesteinsund Eisbrocken, die durch Einschläge abgesprengt worden waren. Und doch nahm Titan eine Sonderrolle ein: Er war ein Schmelztiegel von Lebensformen aus dem ganzen Sonnensystem und vielleicht sogar aus anderen Systemen.
    Jedoch war Deep Space Monitor X7-6102-016 nicht aus wissenschaftlichen Gründen zum Titan gekommen. Seine robotischen Verwandten wussten nicht einmal von seiner Existenz, als er den nächsten Punkt der Annäherung an den Mond mit seinem zirkusartigen Ensemble des Lebens erreichte.
    Das komplexe Herz der Deep Space Monitor war eine Raumsonde, die auf einem jahrhundertealten Konstruktionsprinzip basierte: Sie verfügte über einen rechteckigen Grundkörper, dem Ausleger mit Sensoren und radiothermoisotopischen Stromerzeugern entragten. Dieser innere Kern war in einen Kokon aus Metamaterial eingesponnen, ein Geflecht aus nanotechnischen Drähten und Platten, die die Strahlen des Sonnenlichts von der Sonde ablenkten und sie auf den Weg schickten, den sie genommen hätten, wenn die Sonde überhaupt nicht hier gewesen wäre. Die Deep Space Monitor war aber nicht blind; die innere Schale analysierte die einfallenden Strahlen. Weil das Licht aber weder reflektiert noch abgelenkt wurde, war die Sonde praktisch unsichtbar. Ebenso wenig wie man sie auf irgendeiner Wellenlänge von der harten Gammastrahlung bis zu langen Radiowellen zu orten vermochte.
    DSM X7-6102-016 war jedoch kein Explorer. Das getarnte und lautlose Objekt war ein Wächter. Und der war zu einer Begegnung unterwegs, der Begegnung einer besonderen Art, für die er speziell entwickelt worden war.
     
    Als X7-6102-016 über die Wolkendecke des Titan huschte, wurde er durch das Schwerefeld des Mondes auf eine neue Flugbahn katapultiert, die ihn aus der Ebene des Saturnsystems hoch über die Ringe hinausführen würde. Und das alles bei völliger Funkstille und ohne ein Abgaswölkchen.

    Und dann näherte DSM X7-6102-016 sich der Anomalie.
    Er entdeckte Kaskaden exotischer Hochenergie-Teilchen und wurde von einem starken Magnetfeld gestreift, einem elektromagnetischen Hammer im Weltraum. Der Monitor erstattete Bericht an die Erde, wobei er mit sporadischen Laser-Stößen einen Strom hoch verdichteter Daten abstrahlte.
    DSM X7-6102-016 war nicht imstande, den Kurs zu ändern, ohne dass die Tarnung aufflog, und so flog er notgedrungen weiter. Er hätte die Anomalie vielleicht um einen halben Kilometer verfehlen müssen.
    Die letzte Beobachtung - in gewisser Weise der letzte bewusste Gedanke - war eine plötzliche Verzerrung des starken Magnetfelds der Anomalie.
    Aus den letzten abgestrahlten Signalen ging hervor, dass er sich mit einer enormen, schier unglaublichen Geschwindigkeit entfernte. Es waren Signale, die die Erbauer der Sonde weder zu glauben noch zu begreifen vermochten.
     
    Wie jede halbwegs moderne Maschine war die Anomalie bis zu einem gewissen Grad empfindungsfähig. Die Zerstörung, die zu verbreiten ihr Daseinszweck war, lag noch in der Zukunft und beschäftigte sie deshalb auch nicht. Aber sie verspürte einen Anflug von Bedauern wegen der Vernichtung der putzigen Maschine, die ihr mit diesem lächerlichen Versuch einer Tarnung so weit gefolgt war.
    Die Anomalie flog tiefer ins Saturnsystem, schöpfte Antriebskraft und kinetische Energie aus dem
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