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Wächter

Wächter

Titel: Wächter
Autoren: Baxter Clarke
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Erde zu beben schien - eher ein geologisches als ein animalisches Geräusch.
    »Was war das ?«
    »Bisesa? Sie haben eine Frage?«
     
    Die Stimme war männlich und sonor, klang leicht künstlich und ertönte in der Luft.
    »Aristoteles?« Aber sie wusste schon, dass das nicht möglich war, noch bevor er geantwortet hatte.
    Die Antwort erfolgte mit einer eigenartigen Verzögerung. »Leider nicht. Ich bin Thales.«
    »Thales, natürlich.«
    Vor dem Sonnensturm hatte es drei große künstliche Intelligenzen auf den von Menschen bewohnten Welten gegeben, entfernte Nachkommen der Suchmaschinen und anderer intelligenter Software-Agenten früherer technischer Generationen, und alle waren sie Freunde der Menschheit gewesen. Gerüchten zufolge waren »Sicherungskopien« von ihnen angelegt worden, die man dann als Bit-Ströme in den interstellaren Raum abgestrahlt hatte. Im Übrigen hatte nur Thales den Sonnensturm überlebt, weil er in den einfacheren Netzwerken des robusten Bodens gespeichert war.
    »Ich freue mich, wieder deine Stimme zu hören.«
    Pause. »Und ich freue mich, Ihre zu hören, Bisesa.«

    »Thales - wieso diese Reaktionsverzögerungen? Ach so. Du bist noch immer auf dem Mond stationiert?«
    »Ja, Bisesa. Und ich bin durch die LichtgeschwindigkeitsVerzögerung gehandikapt. Wie Neil Armstrong.«
    »Wieso bringt man dich nicht einfach auf die Erde runter? Das wäre doch viel bequemer.«
    »Es geht auch so. Lokale Assistenten unterstützen mich, wenn die Zeitverzögerung zum Problem wird - zum Beispiel bei medizinischen Eingriffen. Doch sonst wird die Situation als zufriedenstellend beurteilt.«
    Diese Antworten kamen Bisesa wie einstudiert vor. Fast wie einprogrammiert. Es musste noch andere Gründe für Thales’ Stationierung auf dem Mond geben, die er ihr verschwieg. Aber sie wollte auch nicht weiter in ihn dringen.
    »Sie wollten wissen, was es mit dem Gebrüll auf sich hat«, sagte Thales.
    »Ja. Das hat sich wie ein Löwe angehört. Wie ein afrikanischer Löwe.«
    »Es war auch einer.«
    »Und was macht ein afrikanischer Löwe hier, im Herzen Nordamerikas?«
    »Der Grand Canyon National Park ist nun ein Jefferson, Bisesa.«
    »Ein was?«
    »Ein Jefferson-Park. Er ist Teil der Renaturierung. Wenn Sie einmal nach rechts schauen …«
    Am Horizont, jenseits des Nordrands vom Canyon, sah sie kompakte graue Gebilde, wie Felsbrocken auf Wanderschaft. Thales veranlasste das Fenster, die Darstellung zu vergrößern. Sie erkannte Elefanten, eine ganze Herde mit Jungen - ein unverwechselbares Profil.
    »Ich verfüge über ausführliche Informationen über den Park.«
    »Da bin ich mir sicher, Thales. Und noch etwas. Was ist das dort drüben für eine Struktur? Sie sieht aus wie ein Gerüst.«
    Die Anlage erwies sich als eine sogenannte Energie-Matte, die Bodenstation eines Orbitalkraftwerks. Sie war ein Kollektor für Mikrowellen, die aus dem Orbit heruntergestrahlt wurden.
    »Die ganze Anlage ist ziemlich groß - zehn Quadratkilometer.«
    »Ist sie auch sicher? Ich habe nämlich Fahrzeuge darunter hindurch fahren sehen.«
    »Ja, für Menschen ist sie sicher. Für Tiere auch. Aber es gibt eine Sperrzone.«
    »Und, Thales, diese Lichter am Himmel - das Schimmern …«
    »Spiegel und Sonnensegel. Es gibt nun eine ganze orbitale Architektur, Bisesa. Das alles ist ziemlich spektakulär.«
    »Dann wird der Traum also verwirklicht. Bud Tooke würde sich freuen.«
    »Oberst Tooke ist leider tot …«
    »Ich weiß.«
    »Bisesa, es gibt menschliche Berater, mit denen Sie sprechen können. Über alles, was Sie auf dem Herzen haben. Zum Beispiel über die Einzelheiten des Tiefschlafs.«
    »Das wurde mir schon erklärt, bevor ich mich in die Tiefkühltruhe legte …«
    Die Hibernacula waren ein Produkt des Sonnensturms. Das erste war noch vor dem Ereignis in Amerika eingerichtet worden, weil die Reichen so die schweren Jahre bis zur Zeit des Wiederaufbaus überbrücken wollten. Bisesa selbst hatte den Tiefschlaf erst 2050 angetreten, also acht Jahre nach dem Sturm.
    »Ich kann Ihnen auch den medizinischen Fortschritt seit dem Einfrieren erläutern«, sagte Thales. »Zum Beispiel hat es nun den Anschein, dass die Affinität Ihrer Körperzellen zu Wasserstoffsulfid ein Relikt eines sehr frühen Stadiums der Evolution des Lebens auf der Erde ist, als aerobe Zellen sich noch die Welt mit Methanbildnern teilten.«

    »Das klingt geradezu poetisch.«
    »Und dann wäre da noch der motivationale Aspekt«, sagte Thales
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