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Wächter

Wächter

Titel: Wächter
Autoren: Baxter Clarke
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… sogar ihr Akzent hatte sich verändert. Er hatte ursprünglich eine »Synthese« aus Bellas irischem Akzent und dem amerikanischen Ostküstenakzent dargestellt - die Marine war im Grunde ein Ableger der alten US-Marine und hatte auch viele Traditionen von ihr übernommen.
    Ihre Tochter und Enkeltochter entfremdeten sich von ihr, sagte Bella sich wehmütig. Aber wahrscheinlich hatte jede Großmutter bis zurück zu Eva das gleiche Gefühl gehabt.
    Ein leises Klingeln sagte ihr, dass das Flugzeug in den Landeanflug ging. Sie speicherte den Rest von Ednas Botschaft und sendete ihr eine kurze Antwort.
    Das Flugzeug neigte sich, und Bella schaute nach unten auf die Stadt.
    Sie erkannte deutlich den gewaltigen Abdruck der Kuppel. Es war ein fast perfekter Kreis mit einem Durchmesser von
ungefähr neun Kilometern, dessen Mittelpunkt der Trafalgar Square bildete. Innerhalb des Umfangs der Kuppel hatte die alte Bebauung das Wüten des Sonnensturms zum größten Teil unbeschadet überstanden, sodass mit der fahl schimmernden Architektur aus Sandstein und Marmor etwas vom Charakter des alten prachtvollen London bewahrt worden war. Doch Westminster war nun eine Insel, und das Parlament stand verlassen als Denkmal in der Gegend. Nach dem Sonnensturm hatte die Stadt die Bemühungen aufgegeben, den Fluss zu kontrollieren und sich auf die neuen Ufer zurückgezogen, die dem breiteren, natürlichen Verlauf entsprachen, den die alten Römer damals auf ihren Karten verzeichnet hatten. Die Londoner hatten sich angepasst; man konnte nun zwischen den Betonruinen der South Bank Tauchgänge absolvieren.
    Außerhalb dieses Kreisumfangs war ein großer Teil des Vorstadtrings von London durch das Feuer des Sonnensturm-Tages vernichtet worden. Nun standen dort kompakte neue Gebäude, die wie Panzersperren wirkten.
    Und als das Flugzeug in den Sinkflug ging, sah sie auch die Kuppel selbst. Die Verkleidung war schon vor langer Zeit abmontiert worden, doch ein paar der großen Spanten und Stützpfeiler hatte man stehen lassen; die verwitterten und korrodierten Strukturen warfen kilometerlange Schatten über die Stadt, die die Kuppel vor dem Untergang bewahrt hatte. Es war nur ein streiflichtartiger Blick. Und in gewisser Weise war es auch ein ganz alltägliches Bild; auch nach siebenundzwanzig Jahren sah man noch auf der ganzen Welt und auf Schritt und Tritt die Narben des Sonnensturms.
    Die Stadt flog unter ihr vorbei, und das Flugzeug setzte über anonymen, geduckten Vorstädten zur Landung auf Heath row an.

{ 6 }
MYRA
    Myra saß mit Bisesa vor dem Panoramafenster und trank Eistee. Es war noch früh am Morgen, und das in spitzem Winkel einfallende Licht schien sich in den Falten von Myras Gesicht zu fangen.
    »Was starrst du mich so an?«, fragte Myra.
    »Verzeihung, Liebes. Aber kannst du das denn nicht verstehen? Für mich bist du in einer Woche um neunzehn Jahre gealtert.«
    »Aber ich bin immer noch jünger als du.« Myra klang verärgert, und das konnte man ihr auch nicht verdenken.
    Myra trug eine legere Bluse und eine Hose aus einem intelligenten Gewebe, das sie nach Bedarf wärmte oder kühlte. Das Haar hatte sie zurückgekämmt - ein Stil, der der modisch etwas zurückgebliebenen Bisesa zu streng erschien, aber er brachte Myras Wangenknochen und ihre hohe Stirn schön zur Geltung. Sie trug keinen Ring am Finger. Ihre Bewegungen waren knapp, zurückhaltend, beinahe formal, und sie schaute ihre Mutter kaum an.
    Sie schien nicht glücklich. Und sie machte einen unruhigen Eindruck.
    Bisesa wusste nicht, was sie umtrieb. »Ich hätte mehr für dich da sein sollen«, sagte sie.
    Myra schaute auf. »Das warst du aber nicht.«
    »Bis jetzt wusste ich nicht einmal …«
    »Aber du weißt doch, dass ich Eugene geheiratet habe, kurz bevor du in den Tank gegangen bist.« Eugene Mangles, das wissenschaftliche Wunderkind an der Grenze zum Autismus, und nach seinen genialen Berechnungen während des Sonnensturms
geradezu in den Rang des Retters der Welt erhoben. »Alle haben damals jung geheiratet«, sagte Myra. In den Jahren nach dem Sonnensturm war ein rasanter Bevölkerungszuwachs zu verzeichnen. »Wir haben uns nach fünf Jahren wieder getrennt.«
    »Das tut mir leid. Hat es dann niemand mehr gegeben?«
    »Jedenfalls nichts Ernstes.«
    »Und wo arbeitest du nun?«
    »Ich bin vor … äh … zehn Jahren nach London zurückgekehrt. Ich wohne wieder in unserer alten Wohnung in Chelsea.«
    »Unter dem Skelett der Kuppel.«
    »Was davon noch übrig
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