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Wächter der Venus

Wächter der Venus

Titel: Wächter der Venus
Autoren: H. G. Ewers
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Da die GOLIATH zu fünf Sechsteln im Sand steckte, konnte es dicht unterhalb der Bugschleuse anlegen.
    Zitternd vor Erregung beobachtete ich, wie sich die Dachluke des diskusförmigen Spezialfahrzeuges öffnete. Ein Mann im Raumanzug stieg aus – ein Terraner.
    Ich warf einen Blick durch die Helmscheibe.
    »Nat Corranda …!«
    Es war tatsächlich Nat, der Mann, den ich von meinem Venuseinsatz in so guter Erinnerung behalten hatte.
    Er blickte auf, musterte uns kritisch, denn er konnte ja nicht wissen, wer seinen Namen über Helmfunk genannt hatte.
    Ich winkte.
    »Hallo, Nat!«
    »Ellery …?« fragte er fassungslos.
    »Mein richtiger Name ist Berry Grand«, sagte ich leise. »Es tut mir leid, daß ich eine Notlüge gebrauchen mußte.«
    »Eine … was …? – Ach so, Erdmenschen lügen; das hätte ich fast vergessen.«
    Die letzten Worte enthielten soviel Bitterkeit, daß ich beschämt den Kopf senkte.
    Erst sie brachten mir in Erinnerung, daß ich keinen Menschen, sondern einen Venusier vor mir hatte – zwar einen Venusier in menschlicher Gestalt, aber eben doch mit einer andersartigen Grundform und andersartigem Denken.
    »Warum kommen Sie nicht zurück?«, fragte ich, in der unsinnigen Hoffnung, er könnte sich für ein Leben auf der Erde entscheiden.
    Aber bevor Nat Corranda antworten konnte, mischte sich Denis Dubois ein.
    »Wiegele unsere Leute nicht auf!« schrie er. »Bald werden wir euch alle zur Venus holen, verlaß dich darauf!«
    Ehe jemand es verhindern konnte, hatte sich Ahmed Bucharin auf den Beauftragten gestürzt. Ein heftiger Stoß beförderte Dubois aus der Schleuse und über das Sandboot hinweg. Auf der anderen Seite des Fahrzeuges stürzte er in den Sand und versank sofort.
    Hilflos starrte Nat Corranda auf die Stelle, an der Dubois verschwunden war.
    »Verzeihung!« sagte Bucharin. »Ich werde ihn wieder herausholen.«
    Er trat an den Schleusenrand.
    Der Chefwissenschaftler hielt ihn zurück.
    »Im Raumanzug sind Sie hilflos da draußen. Nur ein Venusier in seiner Grundgestalt vermag Dubois zu retten.«
    »Ich werde mich verwandeln«, erklärte Nat. »Aber dazu muß ich das Bootsluk wieder schließen. Sie hätten das nicht tun sollen, obwohl ich zugebe, daß dieser Mann sie reizte.«
    »Das zu beurteilen überlassen Sie gefälligst uns!« klang eine kalte, drohende Stimme auf; die Stimme des Generalsekretärs.
    »Kommt dieser Mann auch mit?« fragte Nat.
    Ich mußte unwillkürlich grinsen.
    »Natürlich, Nat. Solche Leute lassen wir gern auf der Venus zurück!«
    »Dann wird er sich noch sehr umstellen müssen«, erwiderte Nat trocken.
    Im Helmempfänger war nur ein empörtes Schnaufen als Reaktion darauf zu hören.
    Plötzlich schrie jemand.
    Cato und Bucharin zeigten gleichzeitig auf die Oberfläche des Sandmeeres.
    Mir stockte unwillkürlich der Atem.
    Was da wie ein über einen Meter durchmessender, umgestülpter Suppenteller aus dem Sand auftauchte, war ein Venusier in seiner Grundgestalt, ein Wesen gleich dem, das für kurze Zeit meinen Geist beherbergt hatte.
    Der Schuppenkopf befand sich noch unter der Oberfläche. Als er emporkam, sah ich, daß zwischen den Kiefern ein Stück Raumanzug hing.
    Das Wesen ruderte mit seinen breiten Tatzen durch den Sand. Allmählich kam mehr von dem zum Vorschein, was es zwischen den Kiefern festhielt.
    Nat beugte sich zu dem Venusier hinab und half ihm, die schlaffe Gestalt im Raumanzug an Bord des Sandbootes zu hieven.
    »Es ist der Mann, der soeben versank!« rief er uns zu. »Er hat vor Angst das Bewußtsein verloren.«
    Ahmed Bucharin lachte.
    »Vielleicht hat er noch etwas anderes vor Angst getan.«
    Zwei andere Venusier in Menschengestalt tauchten im Dachluk des Fahrzeuges auf und beförderten Denis Dubois nach unten. Danach forderte Nat Corranda die übrigen Mitglieder des Komitees auf, umzusteigen.
    Als letzter sprang der Generalsekretär hinüber.
    »Sie hören wieder von uns!« schrie er, nachdem er sich in Sicherheit wußte.
    Nat zog ihn unsanft hinein.
    Er winkte noch einmal, dann schloß sich das Luk, und das Sandboot glitt schnell davon.
    »Dieser Nat Corrando …«, murmelte Sergius Cato nachdenklich; »er ist eigentlich auch als Venusier menschlich geblieben. Ich kann mir nur schwer vorstellen, daß er an etwas teilnimmt, was die Menschheit mit Gewalt zur Umsiedlung zwingt …«
    Ich konnte es mir auch nicht vorstellen. Aber ich hatte ein ungutes Gefühl bei dem Gedanken, daß nunmehr ein neuer Faktor auf der Venus mitspielte: der
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