Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
VT11 - Flammender Himmel

VT11 - Flammender Himmel

Titel: VT11 - Flammender Himmel
Autoren: Claudia Kern und Stephanie Seidel
Vom Netzwerk:
verbrannten Stelle lebten keine Nerven mehr, die Schmerz hätten transportieren können. Doch der Wirkung war die Ursache egal.
    In den Bäumen ringsum saßen Monkees, die sich eigentlich schon zur Ruhe begeben hatten und gemütlich wegdösten. Der Schrei ließ sie wie angestochen hochfahren; sie nahmen ihn auf und trugen ihn bei der hastigen Flucht durch die Laubdächer mit sich fort. Überall war plötzlich unsichtbares Leben. Heftiger Flügelschlag brach durch die Kronen, Zweige und Früchte prasselten herunter, im Dickicht stoben schlanke Hufe davon. Aus allen Richtungen und vielen Kehlen kam das Echo von Nandis Schrei zurück.
    Sie selbst war längst wieder verstummt. Ngomane hatte etwas Fleisch aus der Antilope geschnitten und es Tenga gegeben. Der drückte das blutige Stück sacht auf ihren Arm, zur Kühlung, und sprach beruhigend auf sie ein.
    Nandis Augen schwammen in Tränen. Mehrmals warf sie einen hasserfüllten Blick auf ihren Peiniger Ngomane, doch der merkte nichts davon. Er war abgelenkt von einem seltsamen Schauspiel über den Baumwipfeln.
    In der beginnenden Abenddämmerung zogen Krähen vorbei. Eine nach der anderen, in schier endloser Reihe – und keine gab ein Geräusch von sich! Ngomane kannte die Schwarzgefiederten lange genug, um zu wissen, dass das nicht normal war. Krähen hatten sich immer was zu erzählen.
    »Sie fliegen auf den Kilmaaro zu«, murmelte er stirnrunzelnd.
    Auf kwaBulawayo zu!, verbesserte er sich in Gedanken. Ngomane fiel der rätselhafte, düstere Traum ein, der ihn letzte Nacht gequält hatte. Die Geisterfrau hatte ihn darin aufgesucht und eine Warnung ausgesprochen: Geh nicht nach Kilmalie, Ngomane! Es ist nie gut, die Nähe der Toten zu suchen, aber besonders jetzt nicht.
    Was ist jetzt anders als sonst, Mame [1] ?, hatte er gefragt. Issa Maganga hatte wortlos nach oben gezeigt. Das Dach seiner Hütte war plötzlich fort gewesen, und unter einem Nachthimmel voll unwirklicher Helligkeit waren schwarze Krähen vorbeigeflattert. Hunderte, vielleicht sogar Tausende. In vollkommenem Schweigen. Ngomane sah, wie sich ihre Schnäbel bewegten, glaubte den Schlag ihrer Flügel zu hören, doch da war kein Laut. Nichts.
    Er wollte wissen, wer diese unheimlichen Gestalten waren, und die Geisterfrau sagte es ihm. Das sind die Toten von Kilmalie. Folge ihnen, und du wirst das Verderben nach kwaBulawayo bringen!
    Ngomane fuhr sich über die Augen, um die Bilder seiner Erinnerung loszuwerden. Er hätte sie vergessen können, wenn das Ganze unzweifelhaft ein Traum gewesen wäre. Am nächsten Tag hatte Dingiswayo berichtet, dass die Geisterfrau jene Nacht in der Hütte einer Gebärenden verbracht hatte. Bis zum Morgengrauen. Sie war also eindeutig nicht bei ihm gewesen. Er musste geträumt haben. Nur… wo kamen all die schwarzen Federn her, die im Dorf verstreut lagen?
    »Nkosi?«
    »Hmm-m?« Ngomane sah auf.
    Dingiswayo stand vor ihm; wartend, ratlos. »Ich habe gefragt, ob jemand Wache halten soll heute Nacht.«
    »Oh – absolut!«, sagte der Banzulu-Fürst und bückte sich nach seinem Jagdspeer. »Wir werden uns abwechseln und auch das Feuer in Gang halten. Ich weiß nicht, wohin die Hirnfresser von Kilmalie verschwunden sind, aber ich schwöre dir, Dingiswayo: Uns kriegen sie nicht!«
    ***
    In der Soldatenstadt
    Auf Plattformabschnitt 6 war die Hölle los, als Henri nach einem Tausend-Meter-Lauf quer durch die Wolkenstadt dort ankam. Er war noch hundert Meter entfernt, als er ein ohrenbetäubendes, scharfes Krachen hörte.
    Das Ding ist wirklich und wahrhaftig abgestürzt… Henri lief schneller.
    »Leutnant! – Leutnant Wesamutu, braucht ihr Hilfe?«
    Der beinahe schwarzhäutige Leutnant Wesamutu versuchte die Menge der schaulustigen Soldaten und Bediensteten der umliegenden Gebäude zu beruhigen. Über seine Schulter erhaschte Henri einen Blick auf den Rand von Abschnitt 6. Dort, wo bis vor kurzem die Kanone gestanden hatte, gähnte ein ausgefranstes Loch, so als hätte jemand von einem Brotfladen abgebissen. Henri schluckte.
    Es sah ganz so aus, als habe jemand die Sicherungen, die die schwere Kanone auf der leichten Plattform hielten, nicht richtig gewartet. Als die Kanone dann beim Feuerbefehl Hauptmann Bambootos losgegangen war, hatte der Rückstoß die Seile, die sie in Position hielten, reißen lassen und die Kanone zum Absturz gebracht.
    Alle redeten wild durcheinander, doch Henri vernahm jetzt in dem Stimmengewirr noch etwas anderes: spitze Schreie. War jemand verletzt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher