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VT11 - Flammender Himmel

VT11 - Flammender Himmel

Titel: VT11 - Flammender Himmel
Autoren: Claudia Kern und Stephanie Seidel
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Nachtblau des Himmels. Es sah aus wie eine Pfeilspitze, dachte er, die ihm entgegen flog. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, dass die Rinder sich in Bewegung setzten. Staub wallte auf. Er schnalzte mit der Zunge, versuchte ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Aus dem Gang der Tiere wurde Trab. Der Bulle, der die Herde anführte, muhte dunkel und laut.
    Tleto riss den Blick von der Pfeilspitze am Himmel los. Fluchend lief er hinter den Wakudas her. Sie bewegten sich auf kwaBulawayo zu. Sein ganzes Leben hatte er bereits mit dem Hüten des Viehs verbracht. Er wusste, dass etwas sie in Panik versetzt haben musste.
    Er drehte den Kopf. Die dunkle, verschwommene Pfeilspitze war beinahe über ihm. Immer näher kam sie – und stieß dann, einen Bogen beschreibend, auf den Bullen herab!
    Krähen. Es waren Krähen. Wie eine schwarze Decke legten sie sich über die Rinder. Ein paar brachen aus, galoppierten weiter dem Dorf entgegen. Tleto sah die Hütten bereits zwischen den Bäumen auftauchen. Der Bulle fiel, eingehüllt in eine schwarze, lautlose Wolke.
    Sie töten die Kühe! Tleto verstand nicht, was geschah. Er sah nur, dass die Rinder mit ihrer hackenden, kratzenden Last aus Krähen auf das Dorf zu galoppierten. Einige Vögel flogen von ihren Rücken auf, fielen seltsam schwerfällig zu Boden und begannen irgendetwas dort zu fressen. Erst als Tleto heran war, sah er, dass es sich um eine Ziege handelte.
    Er wich den Tieren aus. Zweige knackten unter seinen nackten Fußsohlen, als er schneller, immer schneller dem Dorf entgegen rannte. In einiger Entfernung sah er schwarze flatternde Leiber. Sie waren schneller als er. Sie würden kwaBulawayo eher erreichen.
    »Nein!«, schrie er. »Kommt hierher! Holt mich!«
    Schreie mischten sich in das panische Muhen der Wakudas. Tleto erreichte die ersten Hütten. Ohne nachzudenken griff er nach einer Keule, die an einer Hüttenwand lehnte, und begann nach den Krähen zu schlagen. Sie waren zu schwerfällig, um auszuweichen. Er holte sie vom Himmel, aber sie stiegen immer wieder auf.
    »Efua, verschanzt euch!«, schrie er. Um sich schlagend, kämpfte er sich auf seine Hütte zu. Dorfbewohner taumelten ihm entgegen. Krähen saßen auf ihren Schultern, ihren Köpfen, hingen an ihren Seiten. Es sah aus, als wollten die Vögel sie empor tragen, doch in Wirklichkeit drückten ihre Körper sie nieder.
    Was sind das nur für Geister? Tleto duckte sich unter einigen Krähen hindurch. Entsetzt sah er, wie Efua einen Spalt der Hüttentür öffnete. Lautes Säuglingsweinen drang nach draußen.
    »Zurück!«, schrie Tleto. Er warf sich gegen die Tür, drückte sie zu. »Ich beschütze euch. Habt keine Angst.«
    Fast lautlos flatterten die Krähen auf ihn zu. Er schlug nach ihnen. Sie fielen, standen auf und hackten nach seinen Füßen.
    Dorfbewohner taumelten an ihm vorbei. Er sah Mwemesi, den Bruder Ngomanes. Er hatte keine Augen mehr.
    Mit leeren Höhlen und die Schultern voller Krähen rannte er kreischend vorüber.
    »Ihr werdet nicht sterben!«, schrie Tleto ins Innere der Hütte. »Die Götter werden es nicht erlauben! Ich werde es nicht erlauben!«
    Er schlug um sich, bis der Blutverlust ihn in die Knie zwang. Er verfluchte die Götter, bis die Krähen ihm seine Zunge nahmen. Und er lauschte dem Weinen seines Kindes, bis ein Schnabel in sein Gehirn vorstieß.
    ***
    Endlich hatten sie den Eingang zur Großen Grube erreicht.
    Kein Gruh zu sehen – dafür aber etliche abgenagte Skelette. Der Frakkenschwarm musste geradewegs über sie hinweg gezogen sein und hatte Dutzende der unheimlichen Gestalten vernichtet. Offensichtlich hatten die anderen das kapiert und hielten sich vom Ausgang fern. Doch wie lange noch?
    Tala gab den Gardisten ein Zeichen. Eine Pause hatten sich alle verdient. Sie führte Nabuu zu einem Felsvorsprung, der ihnen einen gewissen Sichtschutz gewährte, und setzte Nabuu an einen Felsen. Sie betrachtete ihn aufmerksam, ohne auf die finsteren Blicke der Gardisten zu achten. Sie waren jetzt zwei Tage unterwegs, und Tala hatte sich langsam daran gewöhnt, von den Soldaten als die Hexe betrachtet zu werden, denen sie ihre Situation zu verdanken hatten.
    Sie konnte sie sogar verstehen. Auf ein Himmelfahrtskommando geschickt zu werden und sich auf die Suche nach einem angeblichen Herrn der Gruh zu machen, nur damit ihr Geliebter – der schon selber ein halber und dazu noch extrem gefährlicher Gruh war – eine minimale Chance auf Heilung hatte, konnte sie nicht für sie
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