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VT08 - Anti-Serum

VT08 - Anti-Serum

Titel: VT08 - Anti-Serum
Autoren: Dario Vandis
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nie einem anderen Menschen zuvor.
    Dies war nicht mehr Nooga, der stolze Woormreiter, der ein ganzes Dorf vor den mordlüsternen Gruh bewahrt hatte.
    Dies war nur noch ein Monstrum, nur noch eine Hülle des Menschen, der Nooga gewesen war und der schließlich selbst zum Opfer der Teuflischen geworden war, die er bekämpft hatte.
    Die Gardisten hatten ihn fast erreicht. Der Gruh machte keine Anstalten zu fliehen. Dies konnte nur bedeuten, dass sein Hunger noch größer war als sein Überlebensinstinkt.
    Goodefroot tauchte hinter ihr auf. Er war kreidebleich und keuchte schwer. »Eure Excellenz! Ich flehe… Euch an, lasst… die Gardisten die Arbeit… übernehmen…«
    »Er bleibt hier«, fuhr sie ihn an. »Wenn mir etwas geschieht, übernimmt er die Führung der Stadt. Dies ist mein ausdrücklicher Wille.«
    »Aber Eure Excellenz…«
    Sie hörte nicht mehr, was er sagte, denn sie näherte sich Nooga jetzt mit raschen Schritten. Unruhe kam in die Reihen der Gardisten, als sie bemerkten, wer sich da ins Schussfeld begab.
    »Zurück, Eure Excellenz!«
    »Es ist ein Gruh!«
    Nooga drehte sich unbeholfen herum.
    Ihr Blick kreuzte sich mit dem seinen. Gewiss ein Dutzend Mal hatte sie ihm bereits in die Augen gesehen, aber die Augen, die sie jetzt erblickte, hatten sich verändert. Sie waren blutunterlaufen und tief in die Höhlen zurückgesunken.
    Sie trat auf ihn zu. »Nooga! Ich will dir nichts tun.«
    Seine Brust hob und senkte sich unter raschen Atemzügen.
    Seine Bewegungen waren ruckhaft und unkontrolliert. Etwas in ihm schien sich auf die Prinzessin stürzen zu wollen, die jetzt kaum fünf Schritte von ihm entfernt war – während sich ein anderer Teil seines Bewusstseins genau dagegen sträubte.
    »Nooga – ich weiß, dass du mich hören kannst.«
    »Gruuuh…«
    Das Grollen kam so tief aus seiner Kehle, dass Marie eine Gänsehaut über den Rücken strich.
    Noch vier Schritte.
    Noch drei.
    Noogas Klauen öffneten und schlossen sich.
    »Tu es nicht, Nooga«, beschwor sie ihn. »Das bist nicht du, und du weißt es. Ich kann dich zurück ins Labor bringen lassen. Ich kann sie daran hindern, dich zu töten. Doktor Aksela wird dich weiter mit dem Anti-Serum behandeln, und du bekommst eine zweite Chance…«
    Nooga zuckte unentschlossen. Seine Augen glitzerten.
    »Gruh…«
    »Erinnere dich, wer du bist. Du bist Nooga, der Woormreiter. Du bist kein…«
    »Gruh!«
    Maries Atem stockte, als sie eine Träne an Noogas Wange hinunterlaufen sah. Sie war rosafarben. Wasser vermischt mit Blut. »Nooga!«, flehte sie. Noch zwei Schritte. »Ich weiß, dass du mich hören kannst!« Sie streckte die Hand nach ihm aus, als er abrupt den Mund öffnete und abermals ein Grollen hören ließ, diesmal jedoch leiser als zuvor. Seine Hände zitterten.
    »Nooga«, flüsterte sie.
    »M… Ma… Mar…«
    »Nooga!« Noch einen Schritt.
    Seine rissigen Lippen bebten. »Z… zu spät, Marie…«
    Es ging wie eine Schockwelle durch seinen Leib. Der letzte Rest von Noogas Bewusstsein, der sich noch einmal Bahn gebrochen hatte, wurde zurückgedrängt. Das Glitzern in seinen Augen verschwand.
    »Nein«, hauchte Marie, als sie die Wahrheit erkannte, »Nooga, nicht…«
    Er ließ ein gieriges Knurren hören, riss die Arme hoch.
    Im gleichen Augenblick durchbohrte ein Dutzend exakt gezielter Armbrustpfeile seinen Kopf.
    ***
    Marie stand vor Noogas Leichnam und versuchte die Welt zu begreifen, in der sie lebte.
    Von irgendwoher näherte sich Doktor Aksela und befahl, den Toten nicht zu berühren. Er sollte in einen Sack verfrachtet und zur Untersuchung ins Labor geschafft werden. Da Marie nichts Anderweitiges verfügte, gehorchten die Gardisten.
    Marie stand immer noch an dem Platz, an dem Nooga gestorben war.
    Schritte näherten sich von hinten. Ein pfeifender Atem, wie von einem Blasebalg, der kurz vorm Platzen stand.
    »Das Feuer ist unter Kontrolle«, japste Goodefroot. »Die Stadt ist nicht länger in Gefahr.«
    Marie nahm es auf, reagierte aber nicht.
    Sie war taub im Kopf und in den Gliedern, als wäre sie ein leeres Gefäß aus Ton, das unter der geringsten Krafteinwirkung zu zerspringen drohte.
    Dabei wusste sie nur zu genau, dass sie jetzt nicht trauern durfte. Sie musste stark sein und die Menschen im Kampf gegen die Gruh anführen, bis ihr Vater mit seiner Roziere aus Wimereux-à-l’Hauteur bei der Großen Grube eintraf – doch irgendetwas in ihr sträubte sich, diesen Kampf zu führen. Sie hatte genug. Sie war nicht die starke
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