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VT04 - Zwischen Leben und Sterben

VT04 - Zwischen Leben und Sterben

Titel: VT04 - Zwischen Leben und Sterben
Autoren: Jo Zybell
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Schlafwanne festhalten, sonst hätte die Dogge sie weggezerrt. Sie beugte sich über den Glasdeckel und hielt erschrocken den Atem an: Das Gesicht ihres Mannes hatte die Farbe nasser Holzasche. Seine Wangen waren eingefallen, die Lippen grau, und seine Haut sah aus wie brüchiges Pergament, das bei der geringsten Berührung zerbröseln würde. Das Schlimmste aber waren die Augen: Sie waren rötlich und feucht, und sie starrten Leila mit leerem Blick an.
    »Um Himmels willen«, keuchte der Professor, der sich auf der anderen Seite der Wanne über den vermeintlich Schlafenden beugte. »So sah er heute Morgen noch nicht aus! Glauben Sie mir, Mrs. Dark, er hat sich extrem verändert…!«
    Das Gebell der Dogge dröhnte durch die Schlafkammer, der Tiefschläfer runzelte die Stirn, als würde er es hören, ja erkennen, und plötzlich ballte er die Fäuste und stieß sie nach oben. Der Deckel sprang ab und prallte dem Professor ins Gesicht. Leila, von ihrer Dogge erst weggezerrt und dann umgerissen, schrie entsetzt auf.
    ***
    Amsterdam, 12. Juni 2009
    Mit der Post unter dem Arm kehrte Jan van der Groot zurück in seine Wohnung. Im Esszimmer ließ er sich vor dem laufenden TV-Gerät in seinen Lesesessel fallen, schob die runde Brille ins Stirnhaar und begann die Kuverts und Zeitungen durchzusehen. Im Fernseher zelebrierte CNN noch immer den Start der ersten bemannten Marsexpedition.
    »… und jetzt haben wir zur Internationalen Raumstation geschaltet und bekommen wieder scharfe Bilder von der Bradbury. Ein Dankeschön an John von der Regie!« Die Stimme des Moderators hatte etwas Feierliches. »Nicht mehr lange werden wir diese Bilder genießen können, leider, denn allmählich entfernt sich das Schiff aus dem Gravitationsfeld der Erde…«
    Van der Groot blickte auf. Im Rumpf des Raumschiffs brach sich das harte Licht der Sonne. Ein verdammt weiter Weg zum Mars! Er beneidete sie nicht, die zehn Menschen, die jetzt da draußen in diesem Giganten aus Titan, Kunststoff und Stahl saßen. Für mindestens drei Jahre – Hinflug, Aufenthalt und Rückflug – kehrten sie der Erde den Rücken. Drei Jahre lang keine frischen Brötchen! Drei Jahre lang keinen Tabak! Drei Jahre kein Livespiel von Ajax Amsterdam!
    »… in zwei Stunden wird es so weit sein, meine Damen und Herren, dann wird die Bradbury die unvorstellbare Geschwindigkeit von siebzigtausend Kilometer pro Stunde erreicht haben. Kommandant Suo Kang wird sich in Kürze noch einmal im Kontrollzentrum von Houston melden, um sich offiziell von seinen Vorgesetzten und von der gesamten Menschheit zu verabschieden…«
    Und vor allem: drei Jahre lang kein Sex! Van der Groot konnte sich nicht vorstellen, wie das gehen sollte. Andererseits würden sie zwei Drittel der Expeditionszeit ja verschlafen, und wer schlief, der sündigte nicht, wie irgendein Naivling einmal gesagt hatte.
    Der lange Schlaf an Bord des Marsschiffes war im Grunde das Einzige, was van der Groot an der Expedition wirklich interessierte; langer, tiefer Schlaf, und wie man damit Geld verdienen konnte. Er widmete sich wieder seiner Post.
    »… acht Wochen harter Arbeit liegen noch vor den ersten Marsreisenden der Menschheitsgeschichte, bevor sich neun von ihnen in ihre Tiefschlafkabinen zurückziehen werden. Wir haben hier eine kleine Computeranimation für unsere Zuschauer vorbereitet. Danke, Edith.«
    Van der Groot blickte kurz auf. CNN blendete ein transparentes Modell der Bradbury ein. Man konnte die aktuellen Positionen der zehn Besatzungsmitglieder sehen. Die Tiefschlafkabinen waren rot markiert. Auch dieses Bild musste dem fernsehenden Teil der Menschheit inzwischen so vertraut sein wie der Anblick der Kaaba von Mekka oder der Brooklyn Bridge von New York City. Edith erklärte, was die zehn aktuellen Medien-Superstars gerade trieben, und was noch alles auf dem Programm stand in den nächsten acht Wochen.
    »… dann wird Dr. Madelaine Saintdemar der Besatzung und sich selbst das als ITH bekannte Tiefschlafmedikament verabreichen. Ein Besatzungsmitglied, Lieutenant Enrico Bergmann, erhält ein von der NASA modifiziertes Präparat, das ihn in eine Art Wachkoma versetzt und ihm erlauben wird, den Bordcomputer gewissermaßen mit schlafwandlerischer Sicherheit zu kontrollieren…«
    Die Post auf dem Schoß und einen ungeöffneten Brief in der Rechten, hörte van der Groot aufmerksam zu. Während das ITH zwar auf dem Markt, doch für Normalsterbliche unerschwinglich war, gab es über diese modifizierte Form der
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