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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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noch anders überlege. Wir sprechen später weiter.«
    Sängerling sprang auf und rannte, so schnell er konnte, zum Pfad, der zur Zelle führte. Eichelhäher mühte sich mit aller Kraft, den Aufruhr in seinem Innern zu besänftigen. In all den Jahren des Brütens, der unterdrückten Wut, hatte ihn der Gedanke der Rache getrieben, so wie der Wind eine Feder trägt. Doch jetzt war seine Seele am Boden, die Arme des Windes hatten sie fallen lassen. Ist das der Preis für all den Schmerz? Er war im Alter sentimental geworden. Aber vielleicht würde alles gut ausgehen. Sängerling würde seine Vision vor der gesamten Gemeinde wiederholen müssen, denn jeder würde sie hören wollen. Das ist vielleicht das einzige, was mich vor dem Zorn meines Volks retten kann.
    Obwohl es nicht darauf ankam. Er hatte ihren Zorn schon früher ertragen, und diese eine Handlung hatte ihm einen Enkel geschenkt, den er sonst verloren hätte. Die Wärme von Sängerlings Umarmung bewegte sein Herz.
    Mit zusammengekniffenen Augen sah er dem Jüngling nach. Das Sonnenlicht, das durch die Wolken brach, warf einen goldenen Schleier über Sängerling, als dieser zum Dorf hinauf kletterte. »Hüterin, ich bete darum, daß ich das Richtige tue. Wenn ich nicht…«
    Die Erde bebte abermals, nur ein Zucken, das Eichelhäher überraschte. Dann aber, weit im Westen, erwachte die Regenbogen-Schlange leuchtend zum Leben, erhob sich majestätisch über die Gipfel hinter dem Dorf der Gila-Monster-Klippen und wölbte sich über den ganzen Himmel wie eine vielfarbige Brücke aus Licht.
    Die Donnerwolken, die sich auftürmten, schienen sich vor ihr zu teilen und zogen sich an die Ränder ihrer Herrlichkeit zurück.
    Voller Ehrfurcht flüsterte Eichelhäher: »Diesmal… höre ich dich.«

    In einem Schauer grauer Asche stand Kriecher neben Spannerraupe und sah zu, wie ein Strom von Menschen sich über die Wälle ergoß, die Leitern hinab, um Krallenstadt zu verlassen. Mit schwankenden Bündeln auf dem Rücken kletterten sie zum Bach in der Senke hinab, um ihre Krüge ein letztes Mal mit grauem Wasser zu füllen. Leise Unterhaltungen über ihr Verhängnis unterbrachen die Stille.
    Kriecher schlang die Arme um sich. Die Asche fiel auf den Canyon wie eine stickige Decke und färbte die weißen Mauern der Stadt grau. Fast vier Hände hoch lag die Asche auf der Plaza. Ein verwirrendes Muster von Pfaden durchschnitt die Wehen, die der Wind aufgeschichtet hatte. Kriecher drehte sich um und spähte nach Norden. Er konnte den hoch aufragenden Sandsteinwall hinter Krallenstadt kaum sehen. Flecken goldenen Felsgesteins erschienen und verschwanden in dem dicken Schleier wirbelnder Asche. Händler waren durchgekommen und hatten schreckenerregende Geschichten erzählt. Das schlimme Erdbeben, sagten sie, habe man in allen Richtungen noch zehn Tagesmärsche weiter gespürt.
    Spannerraupe seufzte tief auf. Er trug einen roten Umhang mit hochgeschlagener Kapuze, um sein Gesicht zu schützen, aber die Asche bedeckte sein Haar und klebte an seinen Wimpern. Er sagte durch zusammengebissene Zähne: »Ein Hohokam-Händler kam heute morgen vorbei. Er erzählte, flammende Flüsse würden aus den Thlatsina-Bergen strömen und alles auf ihrem Lauf verbrennen. Er sagte, Waldbrände fräßen die ganze Welt auf. Sein Volk ist auch in Todesangst.«
    Kriecher schaute zum Himmel auf, der in einem unheimlich gelblichen Purpur glühte, als hätten die Götter in ihrem Zorn die Himmelswelten zerschlagen und geschunden. Bei jedem Atemzug stach ihm der Rauch in die Nase.
    »Was haben wir erwartet?« fragte er leise. »Zuerst wird die Ehrwürdige Mutter entehrt, dann wird Krallenstadt überfallen, und sie, der Heilige Heimatlose und der Sonnenseher werden gefangengenommen. Danach wird die Gesegnete Sonne ermordet und als Hexenmeister begraben -« »Die Götter müssen uns hassen.«
    Kriecher legte Spannerraupe liebevoll eine Hand auf die Schulter. Er würde ihm nichts von dem Geflüster erzählen, das er spät nachts gehört hatte, Worte, die sein Herz hatten qualvoll erzittern lassen: »Nun sieh dir an, was mit uns geschehen ist! Die neue Gesegnete Sonne ist ein halber Teuerhund, und die neue Ehrwürdige Mutter ist eine schwachsinnige alte Trau. Wir sind dem Untergang geweiht. Wir wollen gehen, bevor es zu spät ist!
    Spannerraupe zog sich die Kapuze fester übers Gesicht und schaute düster auf die letzte Gruppe, die über die Leiter hinabkletterte. Die bunten Umhänge der Leute, rote, gelbe und
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