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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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sich ein derart geplagtes Volk dann weiterhin in solcher Zahl in einem Gebiet schwindender Rohstoffe zusammenscharen? Darüber verrät die Architektur eine Menge. In den letzten Jahren begannen die Chaco-Bewohner ihre Außenfenster und Türen zu versiegeln; sie mauerten sie tatsächlich zu, mit Steinen und Mörtel. Sie verstopften sogar kleine Abzugslöcher, die eigentlich dazu gedacht waren, die Luft durch das Pueblo zirkulieren zu lassen. Pueblo Bonito war ursprünglich an der Vorderseite offen gewesen, so daß Leute nach Belieben kommen und gehen konnten; aber im Laufe des elften Jahrhunderts wurde diese Öffnung durch eine Reihe von Räumen geschlossen. Nur zwei Eingänge blieben offen. Dann wurde einer davon zugemauert, so daß nur noch ein Tor in der Südost-Ecke der westlichen Plaza übrigblieb. Dieser einzige Zugang wurde dann auf die Breite einer Tür verengt und schließlich auch zugemauert. Kurz vor dem Ende war die ganze Stadt verschlossen. Der einzige Weg hinein und hinaus führte mit Leitern über die Mauern. Die Probleme, die sich dadurch, besonders für ältere Leute, ergaben, liegen auf der Hand. Aber die Chaco-Indianer glaubten offenbar, daß sie ihre Abwehr verstärken mußten.
    Die Beweise für einen Krieg sind überwältigend. Heutige Pueblo-Völker wie die Hopi, Keres, Zuni, Tewa und Tanoas, die vermutlichen Nachkommen der Anasazi, wissen von grausamen Kriegen zu erzählen, die ihre Vorfahren geführt haben. In einigen Fällen wurden ganze Städte vernichtet. Die archäologischen Beweisstücke sind überzeugend: niedergebrannte Bauten, zerschlagene Körper und zerschmetterte Schädel.
    Vor i960 nahmen Archäologen noch an, daß die Kriege durch den Einfall nomadisierender Navajo, Apachen und anderer »Athabasken«-Stämme in den friedlichen Lebensraum der Pueblos ausgelöst wurden. Doch spätere Forschungen haben diese Theorie entkräftet. Neueste Zeugnisse weisen darauf hin, daß die Athabasken-Völker erst im sechzehnten Jahrhundert im Südwesten auftauchten, und dann in so geringer Zahl, daß sie für die befestigten Pueblos keine Bedrohung darstellten. Die Feinde könnten aus anderen Kulturen im Südwesten gekommen sein, die Hohokam, die Fremont oder die Mogollon, möglicherweise sogar andere Anasazi-Gruppen. Als religiöse, wirtschaftliche und soziale Strukturen sich auflösten, könnte ein Dorf über das andere hergefallen sein, ein Clan über den anderen.
    Um 1150 war der Chaco-Canyon leer und verlassen. Viele Anasazi bauten sich Häuser auf Anhöhen, die leicht zu verteidigen waren, auf felsigen Bergfesten, die keine Verbindung zu den Canyonwänden hatten, in Höhlen steiler Klippen - alle weit entfernt von Trinkwasserquellen und von ihren Äckern, doch Stützpunkte, die ihnen ein Minimum an Sicherheit versprachen.
    Und doch hatte die Chaco-Kultur mehr als zwei Jahrhunderte lang geblüht. Die Anasazi hatten atemberaubende Bauten errichtet, Straßen über Hunderte von Meilen gebaut, ein ausgeklügeltes kultisches Regelwerk entwickelt, eine wunderbare eigene Kunst ins Leben gerufen und die Bahnen von Sonne, Mond und Sternen aufgezeichnet. Die Auswanderung aus den Pueblos ging sehr langsam vor sich und dauerte Jahrzehnte. Aber damit wir uns recht verstehen: Diese großartigen Völker aus prähistorischer Zeit »verschwanden« nicht einfach, wie manche Bücher und Fernsehsendungen nahelegen. Ihre Nachkommen, die heutigen Pueblo-Stämme, leben und gedeihen im amerikanischen Südwesten weiter. Viele Theorien, die wir über prähistorische Völker haben, gründen sich auf die mündliche Überlieferung der Pueblos.
    Die Mythen, Legenden und Darstellungen des Sakralen in diesem Roman stammen alle aus solchen Überlieferungen. Spinnenfrau, die Großen Krieger und die Katchinas - die wir Thlatsinas nennen - werden noch heute verehrt. Aus den archäologischen Unterlagen läßt sich kaum feststellen, wann die Katchinas zum ersten Mal aufgetreten sind - vermutlich in der zweiten Hälfte des zwölften oder im frühen dreizehnten Jahrhundert. Der bucklige Flötenspieler, oft Gegenstand uralter und auch moderner Kunst des Südwestens, ist sogar noch älter. Abbildungen von männlichen und weiblichen Flötenspielern wurden in Felsgestein gekratzt, auf Schalen gemalt, in Kiva-Böden geritzt. Der bucklige Flötenspieler symbolisiert Fruchtbarkeit, und das bedeutet in diesem Fall viel mehr als Sexualität; es bedeutet, daß er oder sie die schöpferische Kraft des Universums in sich verkörpert. Wir möchten
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