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Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen

Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen

Titel: Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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die ihn aus hohlen Augen beobachteten und wußten, wie Geister eben, daß wieder ein Teil ihrer Welt dem Untergang geweiht war.
    »Vergebt mir«, flüsterte Bill, »es tut mir leid.«
    Der gedämpfte Verkehrslärm in der Ferne, Hundegebell und gelegentliches Knallen einer Autotür hallten zu ihm in dieser stillen Ecke des Parks. Hier würde in sechs Monaten der Lärm von Bulldozern und Planiermaschinen erschallen.
    Mit schweren Schritten ging er durchs Gras und stellte fest, daß es wieder gemäht werden mußte. Da sah er plötzlich etwas aus den grünen Halmen hervorragen.
    Bill kniete nieder und schabte mit seinem Klappmesser die Erde beiseite. Es war ein polierter Stein, den er behutsam freilegte. Er fühlte sich kühl an und lag schwer in der Hand.
    Das Stück war aus Tonschiefer gearbeitet, dunkel und glänzend, vermutlich aus den Steinbrüchen im Süden Ohios. Die Handwerker der Hopewell-Kultur hatten Ohrgehänge gefertigt, Halsbänder, Pfeifen und viele andere schöne Dinge aus Stein. Was er nun in Händen hielt, war eine künstlerisch so fein geschnittene Arbeit, wie er sie noch nie gesehen hatte: ein Kanu mit einem ungewöhnlichen Fuchskopf auf dem spitz zulaufenden Bug. Vier Menschen saßen darin. Der zweite in der Reihe schaute rückwärts. Was mochte das bedeuten? Das Kanu war rund 15 Zentimeter lang und fünf Zentimeter hoch.
    In den Bäumen hinter ihm krächzte verärgert eine Krähe.
    Bill schaute hoch und sah den Vogel auf einem Birkenast sitzen; die Zweige des Baums hingen über dem Ring. »Keine Sorge«, sagte Bill verdrießlich, »dieser Trottel vom Transportministerium hat mir versichert, daß sie neun Meter und ganze 17 Zentimeter Abstand vom Ring halten werden.«
    Die Krähe flog auf, und im Licht der schräg stehenden Sonne schien ihr glänzendes Gefieder fast zu glühen.
    Er schaute wieder das Kanu an. Ihm fielen die Schnitzarbeiten ein, die er im Landschaftspark von Petroglyph in Ontario gesehen hatte. Neben Gitchie Manitou und Nanabush gab es dort zahlreiche Kanus - aber keines war mit diesem vergleichbar! Keines dort hatte einen Fuchskopf als Bugl Seit seinem Schulabschluß hatte er sich mit der Hopewell-Kultur beschäftigt und kannte ihre kunsthandwerklichen Arbeiten. Aber dieses kleine Kunstwerk war stilistisch etwas ganz Neues. Das Gras um ihn herum wogte wispernd; es behütete so viele Geheimnissen.
    Der Teufel soll dich holen, Anne Seibowitz!
    Die Krähe gab einen leisen, trauervollen Laut von sich und blinzelte mit schräg gelegtem Kopf.
    Bill setzte sich ins nasse Gras und beschloß, morgen den Fundort genau festzulegen, den kleinen Kultgegenstand zu fotografieren und ihn zur wissenschaftlichen Überprüfung an die Universität zu schicken. Wenn dann jemand ein ähnliches Stück fände, könnte er es durch Vergleich einzuordnen versuchen - und vielleicht würde dann jemand in der nächsten Zeit toben, weil der Schlüssel zu einem neuen Rätsel für ein Stück Asphalt weggeworfen worden war.
    Vielleicht… ein verzweifeltes Lachen schüttelte ihn. Wer sollte das sein? Anne Seibowitz wäre dann sicher schon in eine einflußreichere Stellung aufgestiegen, und der Gouverneur wäre im Kongreß. Und niemand könnte mehr verantwortlich gemacht werden.
    Bill stützte sich mit einer Hand auf dem Boden ab und stand auf. Er ging zum Büro, an einer Reihe schimmernder Lastwagen vorbei, von denen ein einziger soviel gekostet hatte, wie er für die Probeausgrabung gebraucht hätte.
    Die Krähe folgte ihm, flog krächzend von Ast zu Ast. Im Gehen betrachtete er die vier Kanufahrer.
    Waren sie vielleicht Händler?
    Die Händler der Hopewell-Zeit hatten den Kontinent in alle Richtungen durchquert und waren mit ihren Waren den Flußläufen gefolgt. Abenteuerlich und voller Gefahren, aber auch wunderbar.
    Das war ein Zeitalter von Helden.
    Bill blieb am Einlaßhäuschen stehen und holte die Post aus seinem Briefkasten, darunter das Bulletin der Gesellschaft amerikanischer Archäologen. Auf dem Weg ins Büro, blätterte er den Rundbrief durch. Es waren auch Stellenanzeigen darin.
    Er hielt inne, um eine genauer zu lesen: »Für das archäologische Projekt zur Erhaltung der Navajo-Kultur werden jetzt Bewerbungen von Archäologen für eine Festanstellung erbeten.«
    In der Ferne hupte ein Auto. Die Krähe war verstummt und flog auf die orange-weißen Verkehrsblenden, die an der Rückwand des Büros lehnten.
    »Window Rock, Arizona.« Bill überlegte. Er warf einen Blick auf die Krähe, die wiederum
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