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Vorstoß ins Niemandsland

Vorstoß ins Niemandsland

Titel: Vorstoß ins Niemandsland
Autoren: Alfred Bekker
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von mindestens einem Dutzend kleinerer Gefährte begleitet.
    Die Steuermänner rissen die Ruder herum. Der hintere Teil der Kufen ließ sich durch einen Mechanismus bewegen, wodurch der Eissegler sehr effektiv gesteuert werden konnte.
    Die gewaltigen Vehikel wurden nun konsequent einer nach dem anderen in den Wind hineingelenkt. Die Segel erschlafften und wurden von einer emsigen Crew sehr schnell eingeholt. Die Takelage wirkte auf Re-Lim wie ein verworrenes Geflecht aus Seilen.
    Sie tragen keinen Schnabel und entsprechen damit in keiner Weise dem Ebenbild Gottes! , dachte Re-Lim mit wachsender Verwunderung. Sie leben ohne den Beistand des Allmächtigen auf einer Welt, auf der das eigentlich nicht möglich ist – und doch existieren sie!
    Es kam Blasphemie gleich, in diesem Zusammenhang von einem Wunder zu sprechen, denn Wunder waren Gott und seinem auserwählten Volk vorbehalten. Aber eine gedankliche Assoziation in diese Richtung kam dem theologisch hoch gebildeten Tanjaj Re-Lim sofort.
    Mochte das nächste Reinigungsritual dafür sorgen, dass seine Seele wieder makellos wurde und er bereit war, jederzeit vor seinen Schöpfer zu treten, um sich dessen Gericht zu überantworten. Die Verheißung einer glückseligen Weiterexistenz im Jenseits gehörte schließlich zu den wichtigsten Versprechungen, die der Glaube der Kridan den Gläubigen machte. Im Fall der Tanjaj sollte sie dieses Versprechen zu noch größerem Mut und Risikobereitschaft anspornen und sie die Gefahr bei ihren Einsätzen vergessen lassen.
    Re-Lim hätte es zwar nur ungern zugegeben, aber die Wirkung dieser Jenseitsverheißungen hielt sich in engen Grenzen. Die meisten Tanjaj hingen letztlich doch sehr viel mehr an ihrer materiellen Existenz, als es den Lehrsätzen der Priesterschaft oder der verherrlichenden Überlieferung der kridanischen Geschichte entsprach.
    Nach und nach kamen sämtliche Eissegler zum Stehen.
    Einige Crew-Mitglieder stiegen an Strickleitern von den Seglern hinunter. Sie trugen Kleidung, die Re-Lim an Tierhäute von Meeresbewohnern erinnerte. Die chemische Zusammensetzung, die sich mit Hilfe des Ortungsgerätes zumindest im Hinblick auf die Hauptbestandteile ermitteln ließ, schien dies zu bestätigen.
    Einige der Heiden kamen näher und blieben in einem Abstand von wenigen Kridan-Körperlängen stehen. Manche trugen Gegenstände bei sich, die an Harpunen oder Speere erinnerten.
    Einer trat vor. Die Kapuze seines Anoraks war tief ins Gesicht gezogen, sodass man von seinem Gesicht nur wenig sehen konnte. Ihm wuchsen Haare im Gesicht, was Re-Lim als besonders abstoßend empfand. Ein äußeres Zeichen der Barbarei und Gottlosigkeit, so sah es der Tanjaj. Ein optischer Beweis für die spirituelle Minderwertigkeit dieser Barbaren.
    Re-Lim schaltete den Translator ein.
    Der Humanoide begann zu reden.
    Seine Worte klangen erschreckend tief. Einer der anderen Tanjaj glaubte sogar, mit einer Drohung konfrontiert zu sein und wollte schon den Hand-Graser einsetzen. Re-Lim konnte ihn jedoch im letzten Moment davon abbringen.
    »Wir sollten erst herausfinden, was diese Gottlosen eigentlich von uns wollen«, bestimmte er.
    »Dann kann es bereits zu spät sein«, lautete die Erwiderung. »Kein Heide ist es wert, dass man das Leben eines ehrenhaften Tanjaj für ihn riskiert.«
    Mit diesem Satz zitierte er einen Stelle aus der Weisheit des Ersten Raisa, der Re-Lim nicht zu widersprechen wagte.
    Die Augen und Ohren der Tugendwächter waren schließlich überall.
    Der Säugetierabkömmling wiederholte indessen seine Worte, da er wohl merkte, dass ihn die Kridan nicht verstanden. Die Erfassung des Eingeborenenwortschatzes war sehr unvollständig. Lediglich einige wenige Begriffe waren dem Übersetzungssystem bekannt. Die erste Expedition hatte kaum Sprachdaten übermitteln können. Er sprach diesmal mit einem Tonfall, den die Kridan als ausgesprochen dringlich begriffen. Zwei weitere Männer traten neben ihn. Sie unterhielten sich kurz.
    Die Tanjaj, die gegenwärtig unter Re-Lims Kommando standen, hatten eigentlich eingreifen wollen. Re-Lim hielt sie jedoch davon ab. Das Risiko erschien noch vertretbar.
    Schließlich hatten die Kridan jederzeit die Möglichkeit, ihre überlegene Waffentechnik einzusetzen und damit die vermeintlichen Gegner sofort auszuschalten.
    Inzwischen begann der Translator mit ersten Übersetzungsversuchen. Offenbar ist die Sprache der Heiden nicht allzu schwer zu erfassen , dachte Re-Lim. Aber wen kann das wirklich wundern?
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