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Vorstandssitzung im Paradies

Vorstandssitzung im Paradies

Titel: Vorstandssitzung im Paradies
Autoren: Arto Paasilinna
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zahmen Affen hüpften fröhlich zwischen den Feiernden herum wie kleine Hündchen, die sich über das Glück ihrer Herrchen freuen.
    Es wurde auch gesungen, schwedische, englische, norwegische und natürlich auch finnische Lieder erklangen, sogar die Internationale, und die ebenfalls in mehreren Sprachen.
    Am späteren Nachmittag erhob sich Taylor mit dem Kokosbecher in der Hand, um eine Rede zu halten. Er dankte allen Lagerbewohnern, sogar den Affen, und dann begann er das Meer, den Sandstrand und den Dschungel zu preisen. Er sprach wirklich sehr schön über unser Leben auf der Insel. Die Leute lauschten still und nickten hin und wieder zu seinem lyrischen Erguss. Schließlich kam er zu seinem eigentlichen Anliegen und sagte, dass es kein vernünftiger Mensch fertig bringen könne, diesen herrlichen Ort zu verlassen, zurückzureisen ins schmutzige Europa, Steuern zu zahlen, ums Dasein zu kämpfen, nutzlose Produkte zu erwerben und mit großen Bossen um sein bisschen Gehalt zu feilschen.
    Er beendete seine Rede mit dem Appell an alle, auf der Insel zu bleiben, das fertige SOS vorläufig nicht anzuzünden, sondern quasi aufzusparen. Denn wenn wir gefunden würden, könnten wir nie wieder hier leben, man würde uns gewaltsam in unsere Länder zurückbringen, damit wir dort nutzlose Arbeit leisteten und vom vielen Rauchen auf den Krebsstationen der Krankenhäuser landeten… nie wieder könnten wir nackt und ohne uns zu schämen durch heißen Sand laufen, wir könnten auch keine Jagdfeste mehr feiern, wenn wir ein Wildschwein erlegt haben, könnten nicht mehr fischen, keine ehrlichen zwischenmenschlichen Beziehungen mehr knüpfen…
    Die Rede sorgte für Verwirrung. Viele standen auf, um zu protestieren, andere applaudierten, als Taylor sich wieder hinsetzte. Die schwarze Hebamme war völlig fassungslos. Sie, die die oberste Leitung des Lagers innehatte, wusste einfach nicht, wie sie reagieren sollte. Frau Sigurd stand auf und sagte, da das ganze Lager monatelang im heißen Dschungel geschuftet habe, könne man von dem Vorhaben nicht mehr zurücktreten, andererseits könnte sie persönlich sich durchaus vorstellen, hier zu bleiben (bei diesen Worten sah sie ihren indonesischen Freund Janne an, der leise seine Trommel schlug und sich nicht groß um den ganzen Aufruhr kümmerte).
    Keast bat ums Wort. Er sah Taylor wütend an und sagte, dass ein solcher Gedanke völlig abwegig sei und dass er persönlich diesen verfluchten Strand verlassen wolle, sowie er die Möglichkeit dazu habe, auch fordere er, dass das Ergebnis der gewaltigen Rodungsaktion genutzt werde. Taylors Ansichten seien krank, sagte er und setzte sich wutschnaubend wieder auf seinen Platz.
    Auch ich sprach. Ich erzählte von dem Umschwung in meiner Stimmung, hob die positiven Seiten unseres derzeitigen Lebens hervor und stellte mich schließlich vorbehaltlos hinter Taylors Vorschlag.
    Die schwarze Hebamme hatte sich endlich wieder in der Gewalt. Nach meinen Worten sagte sie, da es im Lager Meinungsverschiedenheiten in dieser Frage gebe, müssten wir abstimmen. Die Leute murrten zwar heftig, billigten aber schließlich ihren Vorschlag. Frau Sigurd verlangte, dass die Abstimmung in dieser wichtigen Frage geheim sein müsse, und das wurde ebenfalls akzeptiert.
    Aber wir hatten weder Papier noch Bleistifte, sodass wir nicht nach europäischer Manier Stimmzettel benutzen konnten. Bald hatten wir jedoch eine ebenso praktikable Methode gefunden: Wir holten uns, unserer Personenzahl entsprechend, lederige Blätter aus dem Dschungel und vereinbarten, dass jene, die in die zivilisierte Welt zurückkehren wollten, ihr Blatt falten, und die anderen, die für ein vorläufiges Verbleiben auf der Insel waren, ihr Blatt glatt lassen sollten. Damit niemand den anderen beobachten könne, sollte jeder sein Blatt allein zu einem etwa fünfzig Meter entfernt stehenden Kokosgefäß tragen, sodass er unterwegs ungesehen sein Blatt falten könne oder auch nicht.
    Die Abstimmung dauerte gut zwanzig Minuten. Nachdem jeder Lagerbewohner seinen Gang zu der Kokosschale absolviert und sich auch mein Affe irgendwo ein Blatt abgerissen und es hingetragen hatte, konnten wir mit der Auszählung beginnen.
    Die Stimmen waren ziemlich gleichmäßig verteilt: einundzwanzig Blätter waren glatt und die restlichen geknickt beziehungsweise eingerissen, eines davon gänzlich zerfetzt. Als wir die geknickten Exemplare zählten, kamen wir auf achtundzwanzig. Wir wunderten uns, wer wohl zwei Blätter
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