Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorsatz und Begierde (German Edition)

Vorsatz und Begierde (German Edition)

Titel: Vorsatz und Begierde (German Edition)
Autoren: P. D. James
Vom Netzwerk:
Kombinationsschloß und bereitete sich auf seinen zweiwöchigen Urlaub an der Küste von Norfolk vor. Der Urlaub war überfällig, und er war schon ganz darauf eingestellt. Aber die Urlaubstage dienten nicht allein zur Erholung. Es gab gewisse private Angelegenheiten, um die er sich in Norfolk kümmern mußte. Seine Tante, die letzte übriggebliebene Verwandte, war vor zwei Monaten verstorben und hatte ihm ihr Vermögen und eine umgebaute Windmühle bei Larksoken an der Nordostküste von Norfolk hinterlassen. Das Vermögen war unerwartet groß, brachte ihn aber in einen bislang ungelösten Zwiespalt. Dabei war die Mühle noch die geringste Bürde, wenngleich auch sie ein paar kleinere Probleme aufwarf. Er hatte das Gefühl, er müßte erst ein, zwei Wochen darin wohnen, bevor er endgültig entscheiden konnte, ob er sie nun als gelegentliches Feriendomizil behalten, sie verkaufen oder sie zum Nominalwert dem Norfolk Windmill Trust überlassen sollte, der, wie er wußte, es als seine Aufgabe ansah, alte Windmühlen wieder instand zu setzen. Ferner waren da noch allerlei Familiendokumente und die Bücher seiner Tante, vor allem ihre reichhaltige Sammlung ornithologischer Werke, die er durchsehen und sortieren mußte, bevor er sich über deren Verbleib schlüssig werden konnte. Das waren die angenehmen Aufgaben. Schon in seiner Jugend hatte er sich aus Ferien, in denen er sich nichts Bestimmtes vornahm, nicht viel gemacht. Er hatte keine Ahnung, von welchen in der Kindheit entstandenen Schuldgefühlen oder eingebildeten Verpflichtungen dieser merkwürdige Masochismus herrührte, der ihm nun, in seinen mittleren Jahren, abermals und noch vehementer als früher zu schaffen machte. Dennoch war er froh, daß in Norfolk eine Beschäftigung auf ihn wartete, zumal er genau wußte, daß die Fahrt auch so etwas wie eine Flucht war. Nachdem es vier Jahre still um ihn gewesen war, war nun sein neuester Gedichtband – A case to Answer and Other Poems  – veröffentlicht worden. Auch wenn er von der Kritik beifällig aufgenommen worden war, was ihm überraschenderweise behagte, hatte er zudem beträchtliches öffentliches Interesse erregt, das ihm – keineswegs überraschend – weniger gefiel. Nach den spektakulären Mordfällen, die er bearbeitet hatte, hatte sich das Pressebüro der Metropolitan Police bemüht, ihn vor allzu großer Publicity abzuschirmen. Nun mußte er sich erst an die gänzlich anders gearteten Vorstellungen seines Verlegers gewöhnen. Deswegen war er, offen gestanden, froh darüber, einen Vorwand zu haben, ihnen zu entwischen, wenngleich nur für zwei Wochen.
    Von Kate Miskin, die mittlerweile zum Inspector avanciert und wegen eines Kriminalfalls unterwegs war, hatte er sich schon verabschiedet. Chief Inspector Massingham war zum Schulungskurs an die Polizeiakademie von Bramshill beordert worden, ein Karriereschritt weiter auf seinem Weg zum Chief Constable. Kate nahm vorläufig seine Position als Dalglieshs Stellvertreter bei der Sonderkommission ein. Er ging in ihr Büro, um einen Zettel mit seiner Urlaubsanschrift zu hinterlegen. Es war wie stets auffallend ordentlich und zweckdienlich, aber dennoch feminin eingerichtet. Ein einziges Bild hing an der Wand, eines der abstrakten Ölgemälde, die Kate selbst malte. Über verlaufenden Brauntönen leuchtete ein Streifen Giftgrün. Dalgliesh gefiel das Gemälde von Mal zu Mal besser. Auf dem aufgeräumten Schreibtisch prangte eine kleine Vase mit Freesien. Ihr anfänglich flüchtiger Duft wehte plötzlich zu ihm herüber und verstärkte den merkwürdigen Eindruck, der sich ihm stets aufdrängte, wenn er hier war: nämlich daß das Büro, wenn es leer war, mehr von Kate preisgab, als wenn sie dasaß und arbeitete. Er legte den Zettel genau in die Mitte der fleckenlosen Schreibunterlage und mußte lächeln, als er mit unangebrachter Sachtheit die Tür hinter sich schloß. Jetzt brauchte er sich nur noch vom Einsatzleiter zu verabschieden; er machte sich auf den Weg zum Lift.
    Die Fahrstuhltür schloß sich bereits, als er rasche Schritte und einen fröhlichen Zuruf hörte. Manny Cummings schlängelte sich noch so flink herein, daß ihn die zuschnappenden Stahlleisten knapp verfehlten. Wie immer strahlte er eine geradezu aufdringliche Betriebsamkeit aus, die nicht einmal die vier Fahrstuhlwände zu bändigen vermochten. Er schwenkte einen großen braunen Umschlag. »Gut, daß ich Sie noch antreffe, Adam. Sie hauen doch nach Norfolk ab, nicht? Wenn die Kripo
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher