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Vorsatz und Begierde (German Edition)

Vorsatz und Begierde (German Edition)

Titel: Vorsatz und Begierde (German Edition)
Autoren: P. D. James
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seiner verlegerischen Tätigkeit vorbehalten hatte. Dreißig Jahre lang hatte er als treuer, wenn auch einfallsloser Ehemann dahingelebt. Wenn ein Mann von fast siebzig Jahren sich mehr oder minder anstandslos den Konventionen beugt, verlangt ihm das vermutlich sein Naturell ab, dachte Dalgliesh. Herne war weniger an sexueller Erschöpfung gestorben, sofern sich derlei, wie die Puritaner meinen, überhaupt medizinisch nachweisen läßt, als an einer letztlich fatalen Ansteckung durch die derzeit modische Sexualmoral.
    Die neuen Verlagschefs förderten ihre Lyrikautoren nach Kräften. Vermutlich sahen sie in den Gedichtbänden ein Gegengewicht zur Vulgarität und Schlüpfrigkeit ihrer Bestsellerautoren, deren Werke sie mit Kalkül und Raffinement auf den Markt brachten, als könnte man rein kommerziell ausgerichteten Banalitäten durch elegant gestylte Buchumschläge oder die Qualität des Drucks einen literarischen Wert verleihen. Bill Costello, im vorigen Jahr zum PR-Chef ernannt, sah nicht ein, warum der Verlag Faber & Faber eine Monopolstellung innehaben sollte, was die einfallsreiche Vermarktung von Gedichtbänden anbelangte, und rührte deswegen mit großem Erfolg die Werbetrommel für die verlagseigenen Poeten, auch wenn gemunkelt wurde, er selbst habe noch kein einziges modernes Gedicht gelesen. Für Verse interessierte er sich insofern, als er Präsident des McGonagall-Clubs war, dessen Mitglieder am ersten Dienstag jeden Monats in einem Pub in der City zusammenkamen, wo sie sich den weithin gerühmten Steak and kidney -Pudding der Wirtin einverleibten, reichlich zechten und einander die eher lächerlichen Reime des armseligsten Poeten von ganz England vortrugen. Ein Dichterkollege hatte Dalgliesh die Sache einmal so verdeutlicht: »Der Arme muß soviel unverständliche moderne Lyrik lesen, daß es niemand verwundern kann, wenn er hin und wieder eine Dosis verständlichen Unsinn zu sich nimmt. Es ist wie bei einem treuen Ehemann, der gelegentlich therapeutische Erleichterung im nächstgelegenen Puff sucht.« Dalgliesh fand die Erklärung zwar einfallsreich, aber nicht eben überzeugend. Es gab keine Anzeichen dafür, daß Costello die Gedichtbände las, für die er so eifrig warb. Er begrüßte seinen neuesten Anwärter auf Medienruhm mit einer Mischung aus beharrlichem Optimismus und leichter Besorgnis, als ahnte er, wie schwierig die Sache werden würde.
    Sein kleines, versonnenes, kindlich wirkendes Gesicht paßte nicht so recht zu seiner korpulenten Statur. Offensichtlich war sein Hauptproblem die Frage, ob er den Gürtel über oder unter seinem Wanst tragen sollte. Saß er darüber, so wurde gemunkelt, war das ein Anzeichen von Zuversicht; war er hinabgerutscht, deutete das auf Bekümmertheit hin. Heute trug er ihn knapp oberhalb des Skrotums, was auf einen Pessimismus schließen ließ, der im nachfolgenden Gespräch auch noch seine Bestätigung finden sollte.
    »Nein, Bill«, wehrte Dalgliesh entschieden ab. »Ich denke nicht daran, etwa mit dem Fallschirm ins Wembley-Stadion einzuschweben, in einer Hand mein Buch, in der anderen ein Mikrophon. Und ich werde auch nicht mit dem Zugansager vom Bahnhof Waterloo wetteifern und den Fahrgästen lauthals meine Verse vortragen. Die Leute interessieren sich doch nur für den nächsten Zug.«
    »Das hat’s alles schon gegeben. Ein alter Hut. Und das mit dem Wembley-Stadion ist doch blanker Unsinn. Wie kommen Sie nur auf so was? Nein, das hier ist wirklich ein guter Vorschlag. Ich habe schon mit Colin McKay gesprochen. Er ist begeistert. Wir mieten einen roten Doppeldeckerbus und machen eine PR-Tour durchs ganze Land. Zumindest so weit, wie man es in zehn Tagen schaffen kann. Ich sage Clare, daß sie Ihnen den vorläufigen Plan und die Termine vorlegt.«
    »Also ein Bus wie bei einer Politkampagne«, erwiderte Dalgliesh. »Mit Plakaten, Werbesprüchen, Lautsprechern, Luftballons.«
    »Wenn wir den Leuten nicht groß ankündigen, worum es geht, können wir’s auch bleibenlassen.«
    »Sie werden’s schon erfahren, wenn Colin mitmacht. Wie wollen Sie ihn überhaupt nüchtern halten?«
    »Er ist kein so übler Dichter, Adam. Übrigens ist er ein großer Bewunderer von Ihnen.«
    »Das heißt noch lange nicht, daß er mich dabeihaben möchte. Wie wollen Sie das Ganze überhaupt nennen? Dichter auf großer Fahrt? Auf den Spuren Chaucers? Lyrik auf Rädern? Oder erinnert das zu sehr ans Essen? Vielleicht Poetenbus? Das hört sich wenigstens schlicht an.«
    »Uns
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