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Vorsatz und Begierde (German Edition)

Vorsatz und Begierde (German Edition)

Titel: Vorsatz und Begierde (German Edition)
Autoren: P. D. James
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wird schon was einfallen. Dichter auf großer Fahrt gefällt mir.«
    »Und wo wollen Sie anhalten?«
    »Auf Kirchplätzen, vor Rathäusern, Schulen, Pubs, Raststätten – überall da, wo Leute zusammenkommen. Es ist ein durchaus reizvolles Vorhaben. Zuerst wollten wir einen Zug mieten, aber mit einem Bus sind wir flexibler.«
    »Und billiger wird’s auch.«
    Costello überging diese Anspielung. »Die Lyriker auf dem Oberdeck, Getränke und Erfrischungen unten. Lesungen von der Plattform aus. Landesweite Publicity. Rundfunk. Fernsehen. Wir beginnen hier am Embankment in London. Wir haben die Chance, daß Channel Four und selbstverständlich Kaleidoscope groß darüber berichten. Wir rechnen mit Ihnen, Adam!«
    »Nein«, entgegnete Dalgliesh schroff. »Auch nicht, wenn Sie mir ein paar Luftballons schenken.«
    »Aber, Adam! Sie schreiben doch diese Gedichte. Da wollen Sie doch sicherlich, daß die Leute sie auch lesen, sie zumindest kaufen. Die Öffentlichkeit interessiert sich für Sie, zumal nach Ihrem letzten Fall, dem Mordfall Berowne.«
    »Man interessiert sich für einen Dichter, der Mörder schnappt, oder für einen Polizisten, der Gedichte schreibt, aber doch nicht für dessen Gedichte.«
    »Was macht das schon, solange man sich für Sie interessiert? Und sagen Sie mir bloß nicht, daß der Commissioner es nicht gerne sähe! Das wäre eine allzu billige Ausrede.«
    »Okay, ich sag’s ja gar nicht. Aber ihm würde es auch wirklich nicht gefallen.«
    Und außerdem fiel ihm sowieso nichts Neues mehr ein, was er sagen könnte. Er hatte immer dieselben Fragen schon unzählige Male gehört und sie wenigstens ehrlich zu beantworten versucht, wenn er schon nicht begeistert davon war.
    »Wieso verschwendet ein feinfühliger Dichter wie Sie seine Zeit damit, nach Mördern zu fahnden?«; »Was ist Ihnen wichtiger, das Gedichteschreiben oder Ihr Job bei der Polizei?«; »Nützt es Ihnen, daß Sie ein Polizeidetektiv sind, oder behindert es Sie?«; »Wieso schreibt ein erfolgreicher Polizeifahnder Gedichte?«; »Was war Ihr interessantester Fall, Commander? Drängt es Sie hernach dazu, ein Gedicht darüber zu schreiben?«; »Lebt die Frau noch, der Sie Ihre Liebesgedichte gewidmet haben, oder ist sie längst tot?«. Dalgliesh fragte sich, ob man auch schon Philip Larkin bedrängt hatte, preiszugeben, wie er denn zugleich Lyriker und Bibliothekar sein könne. Oder erkundigte man sich etwa bei Roy Fuller, wie er wohl das Gedichteschreiben mit seiner Anwaltspraxis in Einklang bringe?
    »Die Fragen sind doch alle voraussehbar«, sagte er. »Es würde uns allen eine Menge Unannehmlichkeiten ersparen, wenn ich die Antworten auf Band spreche. Die könnten Sie dann vom Bus aus abspielen.«
    »Das wäre nun mal nicht das gleiche. Man möchte Sie persönlich sehen. Man würde sonst denken, Sie wollen nicht, daß man Ihre Gedichte liest.«
    Wollte er denn das überhaupt? Gewiß, einige Menschen sollten sie schon lesen, insbesondere eine Person. Und nachdem diese Person seine Gedichte gelesen hatte, sollte sie von ihnen angetan sein. Das war zwar betrüblich, aber immerhin wahr. Was die übrigen anbelangte – na ja, er vermutete, er wollte schon, daß die Leute seine Gedichtsammlungen kennenlernten, aber sie sollten nicht dazu gedrängt werden, sie zu kaufen. Das war natürlich eine extravagante Einstellung, die er von Herne & Illingworth wohl kaum erwarten durfte. Er merkte, daß Bill ihn bange, geradezu flehentlich anschaute, wie ein kleiner Junge, dem man eine Schale mit Bonbons abnahm. Sein Widerstreben, bei der Werbeaktion mitzumachen, kennzeichnete einen Zug seines Wesens, den er selbst nicht mochte. Es war zweifellos unlogisch, daß er publiziert werden wollte, aber nicht besonders daran interessiert war, ob man seine Bücher auch kaufte. Wenn ihm Publizität als Begleiterscheinung seines Ruhms peinlich war, bedeutete das längst nicht, daß er frei von Eitelkeit war, sondern nur, daß er sie besser zu zügeln vermochte, quasi für sich behielt. Er hatte ja einen festen Job, konnte mit einer gesicherten Pension rechnen, und seit neuestem besaß er auch noch das beträchtliche Vermögen seiner Tante. Er brauchte sich nicht abzustrampeln. Er war sogar ausgesprochen privilegiert, wenn er sich etwa mit Colin McKay verglich, der vermutlich in ihm – und wer könnte das Colin verargen? – einen verschrobenen, überspannten Dilettanten sah.
    Dalgliesh war erleichtert, als die Tür aufging und Nora Gurney, die
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