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Vor Jahr und Tag

Titel: Vor Jahr und Tag
Autoren: Linda Howard
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Lieblingsspielzeug, zur »Saturday Night Special« der Kids von der Straße machte. Trotz des ganzen Geschreis um ein vollständiges Verbot von Handfeuerwaffen war Marc der Ansicht, eine bessere Chance gegen eine schlecht gezielte 22er-Kugel zu haben als gegen eine Zwanzig-Zentimeter-Klinge oder einen beschlagenen Baseballschläger. Denn wenn so ein Typ nahe genug an einen rankam, um eine solche Waffe benutzen zu können, dann war es ihm todernst, und das Resultat noch viel brutaler.
    Er konnte Drogen als Motiv nicht ganz ausschließen, doch bevorzugten die Pusher, ob es sich nun um Einzelpersonen oder ganze Gangs handelte, gewöhnlich stärkere Feuerwaffen. Die ballerten am liebsten alles nieder, weil sie dachten, daß es mehr Eindruck machte, ein heißer Bleihagel in ein paar Sekunden. Eine hübsche, saubere Kugel in die Stirn war nicht ihr Stil, das war nicht dramatisch genug.
    Marc hob den Kopf und blickte sich um. Die grellen Scheinwerfer von Fernsehkameras schienen ihm in die Augen, und er verengte sie, um trotz des grellen Lichts einen langsamen prüfenden Blick über die versammelte Menschenmenge gleiten lassen zu können. Vier junge Frauen in munterer Aufmachung waren von den übrigen getrennt worden; eine von ihnen schluchzte hysterisch, und ein Sanitäter stand bei ihr, um sie zu beruhigen. Diese vier hatten die Leiche entdeckt. Ein Streifenpolizist widmete sich den dreien, die noch halbwegs ansprechbar waren, ließ sich ihre Namen geben und machte sich Notizen. Den Zeuginnen würde sich Marc in ein paar Minuten zuwenden.
    Alle anderen waren von den Schreien der jungen Frauen angelockt worden, und die Fernsehkameras dann von der Menschentraube. Er seufzte. Normalerweise war ein ermordeter Obdachloser kaum eine Erwähnung in der Zeitung wert, geschweige denn im Fernsehen. Hätte ein Streifenpolizist die Leiche entdeckt, dann wäre es gar nicht erst zu diesem Zirkus gekommen. Aber New Orleans war nun mal eine Touristenstadt, und alles, was mit Touristen zu tun hatte, machte automatisch Schlagzeilen. Jetzt würden die Zeitungen und Nachrichtensendungen wieder voll sein mit Berichten über New Orleans’ erschreckende Mordrate.
    Was spielte es schon für eine Rolle, daß die meisten dieser Morde sich in Drogenkreisen abspielten, daß der Durchschnittsbürger in New Orleans ebenso sicher war wie die Bürger in jeder anderen amerikanischen Stadt, vorausgesetzt, besagte Bürger besaßen Verstand genug, um sich aus bestimmten Stadtvierteln rauszuhalten, aber eine Statistik war nun mal eine Statistik und konnte beliebig oft von jedem Besserwisser zitiert werden. Nun würde sich der Bürgermeister - vielleicht mehr aus Angst vor dem drohenden Verlust von ein paar Touristendollars als aus Furcht vor einer tatsächlichen Bedrohung für Leib und Leben - wieder einmal genötigt fühlen, den Police Commissioner unter Druck zu setzen. Der Commissioner würde sich dann über den Chief of Police hermachen, und der ganze Bullshit würde am Ende bei den Detectives und Streifenpolizisten der Stadt landen.
    Einfach herrlich.
    Er warf noch einen Blick auf das Mordopfer, wobei er
    sich jedes Detail genau einprägte. Diesmal fiel ihm eine eigenartige Falte im Hemd der Leiche auf, eine komische Wölbung dicht über dem Hosenbund am Rücken. Er ging neben der Leiche in die Hocke und benutzte seinen Kuli, um den Hemdzipfel vorsichtig zu lüften. Siehe da, es steckte eine Pistole im Hosenbund des Obdachlosen.
    »Jesus«, sagte Shannon, der neben ihm stand. »Ganz schön teures Stück für ’nen Penner von der Straße. Ich frag mich, wo er das wohl geklaut hat.«
    Marc drehte sich so, daß er den Fernsehkameras die Sicht versperrte. Er nahm einen Plastikbeutel aus der Tasche und zog, wieder mit dem Kuli, die Pistole vorsichtig aus dem Hosenbund des Mordopfers. »Eine Glock 17«, murmelte er und studierte die herrliche Waffe. Wenn hier in der Gegend eine Glock gestohlen worden wäre, hätte der Besitzer den Diebstahl gewiß gemeldet, vorausgesetzt, er wußte überhaupt etwas davon. Eine Menge Leute kauften Waffen und legten sie dann irgendwo in einen Schrank, und es vergingen Monate, bevor sie auch nur einen zweiten Blick darauf warfen. Eine unverzeihliche Fahrlässigkeit. Marc fand, wenn die Leute sich schon Waffen zulegten, dann waren sie es sich und ihrer Familie einfach schuldig zu lernen, wie man damit umging, regelmäßig zu üben, die Waffe in Schuß zu halten und verdammt noch mal zu wissen, wo sie lag.
    Er hob die Pistole hoch
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