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Voodoo

Voodoo

Titel: Voodoo
Autoren: Stone
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hätte einem Modekatalog entsprungen sein können, und der Sicherheitsmann, der in einem kleinen Büro die Bilder der Überwachungskameras verfolgte, war in einem anderen Leben womöglich der Maurertyp aus der Cola-Light-Werbung.
    Max hätte den Club fast nicht gefunden. Er lag in einem anonymen fünfstöckigen Gebäude in einer Seitenstraße der Park Row, einer Sackgasse – so anonym, dass er zweimal daran vorbeigelaufen war, bevor er die 34 entdeckt hatte, die ganz schwach neben der Tür auf die Wand gepinselt war. Der Club lag im dritten Stock, den man in einem komplett verspiegelten Aufzug mit poliertem Messinghandlauf erreichte. Als die Türen aufgegangen waren, wähnte Max sich in der Lobby eines Luxushotels.
    Der Raum war riesig und sehr still, wie eine Bibliothek oder ein Mausoleum. Überall wuchsen die schwarzen Clubsessel aus dem dicken Teppichboden wie verkohlte Eichenstämme in einem geschändeten Wald. Sie waren so angeordnet, dass man nur die Rückenlehnen, nicht aber die Gäste sehen konnte. Max hatte geglaubt, sie seien allein, bis er aus einem Sessel Zigarrenrauch aufsteigen sah. Und als er genauer hinschaute, bemerkte er hinter einem anderen Sessel den beigefarbenen Slipper eines Mannes. An der Wand neben ihm hing nur ein einziges gerahmtes Gemälde, es zeigte einen flötespielenden Jungen. Er trug eine Militäruniform aus der Zeit des Bürgerkriegs, die ihm gut zehn Jahre zu groß war.
    »Sind Sie hier Mitglied?«, fragte Max, um das Eis zu brechen.
    »Uns gehört der Club. Dieser und mehrere ähnliche Einrichtungen auf der ganzen Welt«, antwortete Carver.
    »Sie sind also Club-Betreiber?«
    »Nicht ganz«, entgegnete Carver mit amüsiertem Lächeln. »Mein Vater Gustav hat diese Clubs Ende der fünfziger Jahre eröffnet, um seine besten Geschäftsfreunde bewirten zu können. Dieser hier war der erste. Es gibt noch weitere in London, Paris, Stockholm, Tokio und Berlin – und andernorts. Sie sind eine Art Gratifikation. Wenn eine Privatperson oder ein Unternehmen einen bestimmten Nettoumsatz mit uns überschreitet, bieten wir die lebenslange Mitgliedschaft in unseren Clubs an. Mitglieder können die Bewerbungen ihrer Freunde und Kollegen unterstützen, die aber natürlich zahlen. Wir haben recht viele Mitglieder und machen einen ganz ordentlichen Profit.«
    »Man kann also nicht einfach ein Formular ausfüllen?«
    »Nein.« Carver lachte leise.
    »Den Pöbel fernhalten, wie?«
    »So ist eben unsere Unternehmensphilosophie«, entgegnete Carver trocken. »Und der Erfolg gibt uns recht.«
    Da waren Spuren von weißem Ostküstenamerikanisch, die Carvers ansonsten knackig englischen Akzent ruinierten; ein unnatürliches Zügeln mancher Vokale, während andere überbetont wurden. Englische Privatschule, Studium an einer amerikanischen Elite-Uni?
    Carver wirkte auf Max wie ein verhinderter Leinwandheld mit erfreulich schwindendem Aussehen. Max schätzte ihn auf sein eigenes Alter, vielleicht ein oder zwei Jahre jünger, ausgewogene Ernährung, gesund. Falten am Hals und Krähenfüße um die kleinen, stechend blauen Augen. Mit seinem goldbraunen Teint hätte er für einen weißen Südamerikaner durchgehen können – Argentinier oder Brasilianer –, dessen Stammbaum bis nach Deutschland reichte. Von einer unnahbaren Attraktivität, bis auf den Mund. Der versaute das Bild. Er ließ unweigerlich an einen Rasiermesserschnitt denken, aus dem das Blut erst langsam herausquoll, ohne bereits zu laufen.
    Der Kaffee wurde in einer weißen Porzellankanne serviert. Max schenkte sich selbst ein und gab aus einem kleinen Kännchen Kaffeesahne dazu. Der Kaffee war aromatisch und kräftig, die Sahne bildete keinen Fettfilm auf der Oberfläche: Kaffee für Kenner, frisch gemahlen, keine Billigmischung aus dem Supermarkt.
    »Ich habe von Ihrer Frau erfahren«, sagte Carver. »Tut mir sehr leid.«
    »Mir auch«, entgegnete Max knapp. »Sie sagten, Sie hätten einen Auftrag, der mich interessieren könnte?«
    Carver erzählte ihm von Charlie. Max hörte sich die Fakten an und sagte nein. Carver nannte die Summe, und Max wurde still, eher vor Schock denn aus Gier. Tatsächlich kam Gier gar nicht auf. Während Carver über Zahlen sprach, reichte er Max einen braunen DIN-A4-Umschlag. Darin steckten zwei Hochglanzfotos in Schwarzweiß: eine Portraitaufnahme und ein Ganzkörperbild – von einem kleinen Mädchen.
    »Sagten Sie nicht, Ihr Sohn würde vermisst?«, fragte Max und hielt das Foto hoch.
    »Charlie hatte so einen
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