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Voodoo

Voodoo

Titel: Voodoo
Autoren: Stone
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auf der Veranda gesessen und die neonerleuchtete Pracht von Miami bewundert. Die kühle Brise hatte den Geruch von der Biscayne Bay zusammen mit einem Hauch von Fisch und Motorenöl herübergeweht. Egal wie oft sie schon da gesessen hatten: Die Aussicht war jedes Mal anders. Manhattan konnte sich mit seiner Heimatstadt an einem schönen Tag nicht messen. In diesen Momenten, wenn das Leben gut war und noch besser zu werden versprach, hatten sie meist über die Zukunft geredet. Und Zukunft bedeutete für Sandra, eine Familie zu gründen.
    Max hätte ihr von der Vasektomie erzählen müssen, die er wenige Monate vor ihrer ersten Begegnung hatte vornehmen lassen, aber dazu hatte ihm … ja, es hatte ihm der Mumm gefehlt.
    Wie hätte er Kinder in die Welt setzen sollen, nachdem er gesehen hatte, was von denen übrig geblieben war, die er in seinem Job gesucht und gefunden hatte, die er Stück für Stück wieder hatte zusammensetzen müssen? Unmöglich. Er hätte seine eigenen Kinder nie aus den Augen lassen können. Er hätte sie eingesperrt und den Schlüssel weggeworfen. Er hätte sie nicht zur Schule gehen oder draußen spielen oder Freunde besuchen lassen, damit sie ja nicht irgendeinem Idioten in die Hände fielen. Er hätte alle seine Verwandten überprüfen lassen, um zu sehen, ob nicht doch einer wegen Kindesmissbrauchs vorbestraft war. Was für ein Leben wäre das? Für die Kinder, für seine Frau, für ihn? Gar keins. Also besser keinen Gedanken mehr an Familienplanung verschwenden, den Kreislauf nicht mehr fortsetzen, ihn am besten gleich ganz ausschalten.
    Neunzehn-einundachtzig: das war ein übles Jahr für ihn gewesen, eine beschissene Zeit. Neunzehn-einundachtzig: das Jahr von Solomon Boukman, dem Bandenchef aus Little Haiti. Neunzehn-einundachtzig: das Jahr des Königs der Schwerter.
    Sandra hätte ihn verstanden, wäre er von Anfang an ehrlich zu ihr gewesen. Aber bei ihren ersten Verabredungen war er noch überzeugter Junggeselle gewesen und hatte jede Frau belogen, die ihm über den Weg gelaufen war, hatte sich als Kandidat für eine Langzeitgeschichte ausgegeben und ihnen erzählt, was sie hören wollten, um sie ins Bett zu kriegen und wieder abzuhauen. Auch danach hätte es zahllose Gelegenheiten gegeben, ihr noch vor der Hochzeit reinen Wein einzuschenken, aber er hatte Angst gehabt, sie damit zu verlieren. Sie kam aus einer großen Familie, und sie liebte Kinder.
    Jetzt bereute er es, die Vasektomie nicht rückgängig gemacht zu haben, als er noch die Chance dazu gehabt hätte. Im ersten Jahr ihrer Ehe hatte er darüber nachgedacht, als das Leben mit Sandra ihn verändert hatte, zum Besseren, und damit nach und nach auch seine Einstellung zu Kindern. Heute würde er alles dafür geben, noch etwas von ihr zu haben, einen Teil von ihr, den er lieben und ehren konnte, so wie er sie geliebt und geehrt hatte.
    Wieder dachte er an ihr gemeinsames Haus.
    Sie hatten eine große Küche mit einem Tresen in der Mitte. Nachts hatte er oft dort gesessen und über einen Fall nachgegrübelt, der ihn um den Schlaf brachte. Manchmal hatte sich Sandra zu ihm gesellt.
    Auch jetzt sah er sie vor sich, in T-Shirt und Hausschuhen, die Haare zerzaust, ein Glas Wasser in der einen, das Portraitfoto von Charlie in der anderen Hand.
    »Ich finde, du solltest den Fall übernehmen, Max«, sagte sie und sah ihn an, die Augen noch ganz verquollen vom Schlafen.
    »Warum?«, hörte er sich fragen.
    »Weil du keine andere Wahl hast, Baby«, sagte sie. »Du kennst die Alternativen.«
    Er zuckte zusammen und wachte auf. Er lag angezogen auf dem Bett und starrte die kahle Zimmerdecke an. Sein Mund war trocken, und er hatte den Geschmack von verrottetem Rindfleisch auf der Zunge.
    Es stank nach altem Joint, was ihn unversehens in die Zelle zurückversetzte, wo Velasquez sich gerade das Guten-Abend-Tütchen gegönnt hatte, bevor er auf Latein seine Gebete sprach.
    Max stand auf und taumelte zum Schreibtisch, zwanzig Presslufthämmer im Schädel. Er war noch immer leicht breit. Er riss das Fenster auf, und die eiskalte Luft wehte herein. Er atmete mehrmals tief durch. Der Nebel in seinem Kopf lichtete sich. Er beschloss, zu duschen und sich umzuziehen.

    »Mr. Carver? Hier spricht Max Mingus.«
    Es war 9:00 Uhr morgens. Er hatte sich in einem Diner ein riesiges Frühstück einverleibt – Omelette aus vier Eiern, vier Toasts, Orangensaft und zwei große Kaffee –, hatte sich die Sache noch einmal durch den Kopf gehen lassen, die Pros
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