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Voodoo Holmes - Holmes auf Haiti. Novelle

Voodoo Holmes - Holmes auf Haiti. Novelle

Titel: Voodoo Holmes - Holmes auf Haiti. Novelle
Autoren: Berndt Rieger
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leerte seine Teetasse mit einem Schluck und fuhr fort, während Voodoo und Feli trüb an ihren Teeschalen drehten: „Kommen wir jetzt zu der Gespenstergeschichte der letzten Tage. Das geht nur euch beide an. Etwas ist da, das behandelt werden muss, das reagieren und Folgen zeitigen wird. Was es ist, das wisst nur ihr selbst. In dem Sinn ist das, von dem ihr behauptet, dass ihr es im Keller des Britischen Museums erlebt hat, eine Theateraufführung dieser Sache, ein Finden von Bildern zu dem Thema.“
    „ Was könnte das sein?“ fragte Voodoo ruhig, „darüber rätseln wir ja.“
    „ Nun, ich halte viel von der Psychoanalyse“, sagte Sherlock. „Ich glaube nicht alles, was Sigmund Freud geschrieben hat, aber dass er ein Meisterdetektiv der Seele ist, steht für mich fest. In der Hinsicht kann ich mir sofort erklären, warum du dich mich Mündern und Zungen beschäftigst, Vood.“
    „ Ja?“
    „ Nun, deine Mutter starb bei der Geburt. Du bist nicht gestillt worden. Du konntest deshalb, wie Freud schreibt, den oralen Konflikt nicht überwinden, bist auf den Mund fixiert und die Empfindungen des Mundes. dass du dich einer älteren Frau zuwendest, die körperlich an die Venus von Willendorf, die Urmutter unserer Ackerbaukultur erinnert, ist da nur konsequent. Du bist damals von der Schule abgehauen. Und Jahre später hört man, dass du bis nach Haiti gekommen bist und dir dort eine Frau gesucht hast, die ein Mischling ist wie du selbst, Vood. Du hast afrikanische Wurzeln in dir, aber auch europäische Wurzeln, und wenn du nach einer Mutter suchst, ist es auch hier nur folgerichtig, dass du in einer karibischen Gegend fündig wirst. Denn nirgendwo sonst auf der Erde gibt es so viele Mischlinge der Rasse. Und eines kann ich dir sagen: Ich habe deine Mutter nur kurz und flüchtig gekannt, aber wenn sie alt geworden wäre, würde sie aussehen wie die Dame, die du die große Mutter nennst, oder Feli, dein Mutterersatz. Und der so genannte Fall, den ihr bearbeitet, ist nach meinem Dafürhalten deine Suche nach deiner Mutter, nach der Muttermilch und letztendlich nach der Sprache der Liebe. Deshalb fühlen sich die Zungen so fremd an: Weil sie nicht von Anfang an natürlich waren, sondern bedürftig, wie Fremdkörper im eigenen Mund, als du gezwungen warst, als Säugling Nahrung zu dir zu nehmen, die dir nicht bekommen ist. Deshalb bist du klein geblieben und drahtig. Aber die Sehnsucht steckt in dir, deine Zunge zu heilen, dieses Organ, das der Säugling verwendet, um seine Welt zu erforschen, dieses Organ, das geheiligt wird durch die Milch der Mutter. Sie überbrückt, was das Leben in der Abgeschiedenheit und Geborgenheit des Mutterleibs trennt von der Unbehaustheit der Welt. Und sie tut es, indem sie mit ihrem Neugeborenen in der Sprache spricht, die es versteht: Der Sprache der Mundhöhle, des Saugens, des Geschmacks.“
    Sherlock hatte zu reden aufgehört. Er hatte zuletzt in einem bedauernden Tonfall gesprochen wie jemand, der keine Schmerzen zufügen möchte, aber weiß, dass es notwendig ist. Wie ein Chirurg, der einen Abszess eröffnet. Voodoo saß wie benommen da, denn einiges von dem, was ihm sein Bruder gesagt hatte, ging tief. Auch Feli schien ganz versunken in der Psychoanalyse, die hier von ihrem Begleiter gemacht wurde. Dann hob sie den Kopf und sagte: „Ich habe ein Kind geboren. Es starb bei der Geburt. Es war eine offene Wunde. Damals bin ich in die Einöde gegangen, habe mich vor allen Menschen verborgen. Dann, eines Nachts, träumte ich von meinem Kind. Es war groß geworden und sah aus wie der da.“
    Sie zeigte auf Voodoo.
    „ Es war der Morgen, als meine Zunge zu groß für den Mund war. Groß wie der Schmerz, der zurückgekehrt war über Nacht. Nach all den Jahren. Aber stärker als je zuvor. Dann ging ich hinaus in den Busch, der Schlange nach, und dann den Hunden. Und ich fand ihn. Und er hatte auf mich gewartet. Er ist mein Sohn und ist es nicht, ebenso wie ich seine Mutter bin und es doch nicht bin. Ja, es ist richtig, was Sie gesagt haben, Monsieur. Die Psychoanalyse ist eine große Macht, und sie befreit. Der Zauber ist gebrochen. Jetzt kehre ich wieder unter die Menschen zurück.“
    Die große Mutter stand auf. Ihr Gesicht leuchtete von einer ruhigen Kraft, als sie Sherlock Holmes die Hand gab. Er arbeitete sich überrascht über ihr abruptes Verhalten in die Höhe und stieß dabei vor Aufregung über diesen besonderen Moment seinen Stuhl um, doch sein Handdruck war dann nachhaltig
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