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Voodoo Holmes - Holmes auf Haiti. Novelle

Voodoo Holmes - Holmes auf Haiti. Novelle

Titel: Voodoo Holmes - Holmes auf Haiti. Novelle
Autoren: Berndt Rieger
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gerufen wurde. Wenn ich mir Hoffnung gemacht hatte, von diesem Erfreuliches zu erfahren, dann hatte ich mich aber getäuscht. Schon ein kurzer Blick auf den aufgebracht hinter seinem Schreibtisch Stehenden belehrte mich eines Besseren. Aber es war da noch etwas anderes. Ich glaube, es war das erste Mal, dass ich dieses Gefühl erlebte. Später wusste ich, dass es das Gefühl ist, Macht über einen anderen zu haben. An der Oberfläche schienen die Verhältnisse unverändert. Der weitaus ältere Mann, von riesiger Statur, das Gesicht gerötet in der kernigen Art der Berufssadisten, gab hier sichtlich den Ton an , als er ausrief: „Das muss ein Ende haben, äh – äh Holmes. Ich habe es Ihnen einmal gesagt und ich wiederhole mich nicht!“
    Als er weiter nichts sagte, und nur mehr hörbar atmete, fragte ich ihn ruhig, mit der Stimme eines Dompteurs: „Was ist vorgefallen, Sir?“
    „ Was vorgefallen ist! Tun Sie doch nicht so scheinheilig! Sie stecken doch hinter der Sache! Bis an die Ohren!“
    Ich versuchte mir vorzustellen, wie das aussah, wenn man unsichtbar hinter einem Paravent stand, und nur die Ohren guckten raus. Während ich mit diesen Visionen beschäftigt war, kam er hinter dem Schreibtisch hervor, packte mich am Arm und riss mich mit sich fort. Es ging einen Korridor hinab, zwei Treppen hoch, einen weiteren Gang hinunter und um ein Eck, und es tat weh, da er mich mitschleifte und von Natur aus brutal war, und dazu kam jetzt noch die Erregung, die sich wie ein schleichender Bazillus in ihm ausbreitete. In dem Raum, in dem wir uns schließlich fanden, rupfte er die Vorhänge zur Seite und man gewann durch die großen Fenster einen guten Blick auf das gegenüberliegende Dach eines zur Schule gehörigen Wirtschaftsgebäudes. Es war relativ steil, so dass sich der Eindruck einer senkrechten Fläche aufdrängte. Darauf hockten Gestalten in schwarzen Gewändern. Es waren dunkelhäutige Menschen mit langen, dunklen Gewändern, die ähnlich Mönchskutten mit Kapuzen ausgestattet waren, und wenn sie hockten, drängte sich unwillkürlich der Gedanken von Raben oder Krähen auf. Mir wurde mit einem Stich bewusst, dass sie direkt vor den Fenstern meines Schlafsaals Aufstellung genommen hatten. „Was machen die da, Holmes? Um Himmels Willen, was tun die da? Was wollen die? Was immer es ist, sie sollen damit aufhören. Taggert!“
    „ Sir?“
    Erst jetzt bemerkte ich den kleinen, blassen Schuldiener, der an einem der anderen Fenster kauerte, um dort immer wieder durch den Schlitz zu spähen. Mir war der alte Herr wohl vertraut. Mehrmals hatte ich mit seiner Rute Bekanntschaft gemacht. Es oblag ihm, die Schüler etwas weniger heftig zu prügeln als der Headmaster, um eine Eskalation des Erschreckens für den Schüler zu gewährleisten, wenn er sich einen Regelverstoß zuschulden hatte kommen lassen. Der  Mr. Taggert von heute war aber nicht erschreckend oder gar furchteinflössend, sondern müde, sehr müde. Man merkte es an seiner Stimme.
    „ Es sind Botschaften, Sir.“
    „ Botschaften? Welche Botschaften?“
    „ Ich kann kein System darin erkennen, Sir. Wann sie sich erheben und ihre Positionen austauschen, das kann ich nicht sagen. Es muss jedenfalls sehr schnell geschehen. Es ist kürzer als die Zeit eines Lidschlags. So wie sie jetzt da hocken, bilden sie die Form eines Kreuzes ab, Sir.“
    „ Offensichtlich.“
    Es stimmte. Es waren neun Männer, und sie hockten auf dem Dach in Form eines Kreuzes:
     
         X
         X
    XXXXX
         X
         X
    Man hielt es erst für eine Sinnestäuschung, aber dann merkte man, dass sich das Kreuz verlängert hatte.
     
     
      X
      X
    XXXXX
      X
      X
     
     
    Dann sah es so aus wie ein liegendes T:
     
     
     
     
    X
    X
    XXXXX
    X
    X
     
     
    In der Folge (wir hielten uns eine halbe Stunde vor dem Fenster auf) gab es noch folgende Zeichenformationen:
     
     
    XX
    XX
    XXXXX
     
     
    XX
    XXX
    XXXX
     
     
    XXX
    XXX
    XXX
     
     
    „ Ein Code, Sir“, sagte Taggert schließlich, da ihm das ratlose Schweigen seines Vorgesetzten unerträglich wurde. Er hatte den Headmaster bislang nur als eine äußerst entschiedene Person erlebt, an deren Anordnungen kein Zweifel angemeldet werden konnte.
    „ Wenn es ein Code ist, was zum Teufel wird da gesendet?“ rief der Headmaster aus.
    „ Vielleicht ist es für Master Holmes gemeint, Sir.“
    „ Master Holmes!“ seufzte der Headmaster schließlich mit einem Seitenblick auf mich, „die Sache zielt längst weitere
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