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Voodoo Holmes - Holmes auf Haiti. Novelle

Voodoo Holmes - Holmes auf Haiti. Novelle

Titel: Voodoo Holmes - Holmes auf Haiti. Novelle
Autoren: Berndt Rieger
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dass ihr gemeinsam eine Nacht dort unten verbracht habt. Was ihr dabei erlebt habt, sagt wahrscheinlich weniger über die Köpfe aus als über euch. Über dich, Voodoo. Aber auch über Madame und ihre Agenda. Denn Sie haben doch eine, nicht wahr?“ wandte er sich jetzt an Feli, die ihn aus Kuhaugen anglupschte.
    „ Warum sind Sie nach London gekommen, Madame?“ fragte Sherlock. Es klang etwas streng und zugleich verständnisvoll. Jedenfalls aber so, dass ein Ausweichen unmöglich war.
    Die große Mutter aber schwieg. dass sie überlegt hatte, was sie sagen sollte, merkte man erst, als sie antwortete: „Das kann ich an nichts festmachen. Etwas hat mich zu Ihrem Bruder geführt. Dieser hatte ein Schiff, das er nach England gelenkt hat. Ich habe ihm nicht gesagt, dass wir nach England sollen. Er ist hier, weil Sie da sind. Weil er Sie besuchen wollte auf dem Weg nach Mesopotamien. Wo ich hin wollte. Aber warum ich es wollte, kann ich Ihnen heute nicht mehr sagen.“
    „ Eine ehrliche Antwort, damit kann man arbeiten“, meinte Sherlock. „Ich stehe ja nicht im Ruf, selbst eine heimliche Agenda zu betreiben. Wenn es etwas ist, das mich ausmacht, dann ist es die Unparteilichkeit der Gedanken. Ich bin kein Polizist, der just the facts, Ma'm sagt. Ich will keine Fakten. Ich will sehen, wie etwas ist. Das können Fakten sein. Oder auch nicht. Das spielt keine Rolle. Machen wir also weiter: Ein Krieger, der Mank heißt. Man müsste einen Linguisten befragen, was Mank bedeutet in verschiedenen Sprachen. Vor allem aber, ob es möglich ist, dass Mank der Name eines babylonischen Kriegers des ersten Jahrtausends vor Christus war. Oder dass er vor Troja gekämpft haben könnte, was ja etwas ganz anderes ist. Da liegen dann im Zweifelsfall vielleicht nicht so viele Jahre dazwischen, sagen wir mal hundert oder zweihundert, aber doch Welten. Die Griechen waren damals auf dem Weg zur Zivilisation und die Babylonier – nun, das ist eine offene Debatte. Sicherlich weit fortgeschritten in vielen Dingen, aber schauen Sie sich doch heute die Leute in Baghad an. Oder Kairo. Um Himmels Willen.“
    „ So wie das Wort Mank von Feli oder von den Köpfen ausgesprochen wird“, warf Voodoo ein, der am Thema bleiben wollte „ist es ein Kehllaut, bei dem man das Gefühl hat, dass er entsteht, weil jemand keine Zunge hat. Oder die falsche Zunge.“
    „ Ja, das mit den Zungen“, fuhr Sherlock fort, „das ist sicherlich das Zentrum des Ganzen. Ihr behauptet, dass man in Haiti der Ansicht ist, man sei nicht mehr Herr der eigenen Zunge und die Zunge habe sich so geändert, dass sie geschwollen ist und geschrumpft und so weiter. Naturwissenschaftlich gesehen ist die Auslegung, einer habe die Zunge des anderen bekommen, abzulehnen. Es sind die Zungen der Menschen selbst, die sich jetzt anders anfühlen, die ein Fremdkörper geworden sind, und daran ist nichts getauscht worden. Mögliche Ursachen: Der eine hat über Nacht etwas gelutscht, das eine Schwellung der Zunge hervorrufen kann. Der andere hat am Abend etwas gegessen, das Schleimhäute zusammenzieht. Ein Dritter hat eine Krankheit der Mundschleimhaut, die einem das Gefühl gibt, die Zunge nicht bewegen zu können. Ein Vierter wacht gelähmt auf und das ist der Grund. Ein Fünfter ist hysterisch und glaubt, dass Zungen vertauscht werden können. Natürlich weiß er da nichts Besseres, als in den Spiegel zu sehen, die Zunge heraus zu strecken und entsetzt aufzuschreien, weil er sie nicht wiedererkennt. Aber all das, lieber Vood, verehrte Madame, sind medizinische Phänomene, die man nicht weiter als Mysterium analysieren kann, schon weil sie es gar nicht verdienen. Es ist eben so, dass eine Gruppe von Menschen, wenn einmal eine Idee vom Himmel gefallen ist, dafür so empfänglich sein kann, dass nur Tod und Teufel sie ihnen wieder austreiben können. Deshalb haben Ihre Heilkünste, verehrte Frau Felix-DeGracieu, gewiss einen hohen Unterhaltungswert und dazu auch immer wieder einmal Erfolg gezeitigt. Doch es war kein Übel, keine Krankheit, die Sie kuriert, kein Zauber, den Sie gebrochen haben, sondern Sie haben einen Ausweg für Gedanken geboten, die unter dem Massendruck in die Pflicht genommen wurden. Eine Massenpsychose kann man nicht heilen, sondern sie erledigt sich selbst durch die Zeit oder durch den Zeitgeist. Schreckliche Dinger, die Massen. Man sieht es ja am Trafalgar Square. Oder am Picadilly Circus zur Mittagszeit. Die Menschen dort sind keine Menschen.“
    Sherlock Holmes
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