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Voodoo Holmes: Botschafter der Nacht

Voodoo Holmes: Botschafter der Nacht

Titel: Voodoo Holmes: Botschafter der Nacht
Autoren: Berndt Rieger
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für dergleichen Gelegenheiten bereit hielt.
    „ Ich möchte Sie nicht weiter aufhalten“, begann Holmes, „es geht eigentlich um die Exponate, die Sie im Westflügel aufbewahren, und zwar im Erdgeschoss, wie mir scheint.“
    „ Im Westflügel? Nun, ägyptisches Zeug, kein Zweifel, also lange Tafeln mit Dingsbums, äh, Hieroglyphen. Und Nippes.“
    „ Gibt es dort etwas, das ganz allgemein mit dem Thema Schlaf oder Träumen zu tun hat?“
    „ Traumgestalten? Nein. Aber doch! Doch, es stimmt. Wir haben dort einen Raum, das ist eigentlich nichts wirklich Ägyptisches, also Ptolemäisches, sondern eigentlich müsste man den Kram in die griechische, also alexandrinische Epoche einordnen, obwohl der Fundort natürlich Ägypten ist.“
    „ Griechische Figuren?“
    „ Ja, Darstellungen von Göttern. Und – nun, wollen Sie es sehen?“
    „ Gerne.“
    „ Ich habe doch Ihrem Bruder gegenüber, gewissermaßen, eine Bringschuld. Sie erinnern sich, der Fall der Rätselköpfe.“
    „ Gewiss.“
    „ Ihr Bruder ist ein Genie. Ein Genie. Nun, gehen wir?“
    Sir Brian stand schon. Fünf Minuten später und mehrere verschachtelte Gänge weiter stand Holmes in einem kleinen, eng mit Figuren aus verschiedenen Gesteinssorten gefüllten Raum. Die Figuren trugen teilweise Etiketten, doch ein großer Teil lag oder stand in einem ungeordneten Bereich. „Die sind noch nicht klassifiziert“, sagte Sir Brian, dem die Unordnung etwas peinlich war, „aber das wird natürlich noch heute geschehen. Ungünstiger Moment“, meinte er.
    „ Was mich interessiert“, sagte Holmes, „sind Figuren, die mit dem Traum oder dem Schlaf zu tun haben.“
    „ Gottheiten?“
    „ Ja, Gottheiten.“
    „ Nun, was haben wir da? Also theoretisch sagen wir mal die drei Oneiroi, nicht war. Also Morpheus, Icelos und Phantasos. Morpheus ist der älteste Sohn der Nyx, der Nacht. Er ist der Gott der Träume, er formt sie. Er ist der Boss. Dann sind da noch Icelos, bekannt auch als Phobetor, der Gott der Alpträume und Phantasos, der eine ziemlich unwichtige Rolle einnimmt, indem er in Träumen vorkommt als unbelebter Gegenstand. Sagen wir beispielsweise eine leere Kutsche.“
    „ Wie bitte? Was haben Sie gesagt?“ fragte Voodoo.
    „ Eine Kutsche. Oder ein Buch. Was Sie wollen“, meinte Sir Brian. „Ja, gut. Dann hat Morpheus noch zwei jüngere Geschwister. Die sind Zwillinge. Einer heißt Hypnos und ist der Schlaf. Und der andere ist sein Bruder, der Tod, bekannt auch als Thanatos. Das ist es gewissermaßen auch.“
    „ Und Morpheus, wie sieht der aus?“
    „ Nun, er kann jede menschliche Form annehmen. Also könnte ich jetzt beispielsweise Morpheus sein. Oder Sie, Holmes.“
    „ Ich verstehe.“
    „ Aber eine häufige Darstellung von Morpheus finden Sie da drüben, diese Frau mit den Flügeln.“
    Holmes trat zwischen die Figuren hindurch und erkannte die Skulptur, die sich ihm zeigte, sofort als jene, die er als Schatten nachts vor der Tür wahrgenommen hatte. Es war eine große Erscheinung, ein mageres Wesen, von dem man nicht so recht sagen konnte, ob es Mann oder Frau war, aber doch mit einer Weichheit, die es zuließ, dass man sie als junge Frau sah.
    „ Und was macht Morpheus eigentlich?“ fragte Holmes.
    „ Er formt die Träume. Wie ein Friseur, verstehen Sie? Der Friseur ist ein Haarformer, und Morpheus ein Traumformer, und was beim Friseur die Haare sind, das ist bei Morpheus das Gehirn des Träumenden.“
    „ Entzückende Analogie“, sagte Holmes.
    „ Finden Sie? Nun, es sind Visionen, Ahnungen. Vielleicht ist manches davon sinnvoll und brauchbar, oder wäre es, wenn nicht Icelos dazwischenfunken würde und alles, was dem Menschen Angst macht, in diese Träume packen, und wenn nicht Phantasos humorvolle kleine Nichtigkeiten in die Träume einbauen würde, die allen Sinn zerstören. Hier sehen Sie Icelos. Man kann ihn als Raubtier sehen. Hier hat ihm der Künstler die Gestalt eines Wolfs gegeben, etwas ungewöhnlich, aber der Alptraum, der uns den Schlaf raubt, das ist schon ein gutes Bild.“
    „ Und was sind diese Dinge, die er da in der Hand trägt?“ fragte Holmes möglichst neutral, obwohl er die Blüten längst erkannt hatte.
    „ Das ist der Schlafmohn. Die Blüten und die Früchte, die den Samen beinhalten. Der Schlafmohn ist die Pflanze, die alles enthält, was diese drei Jungs da aushecken“, sagte Sir Brian.
    Holmes sah einen kleinen Jungen, der das Haupt eines Wolfs hatte, der grinsend seine Zähne bleckte. Das war
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