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Von Kühlschrankdrachen, Superhelden, Feen und anderen Normalitäten des Lebens

Von Kühlschrankdrachen, Superhelden, Feen und anderen Normalitäten des Lebens

Titel: Von Kühlschrankdrachen, Superhelden, Feen und anderen Normalitäten des Lebens
Autoren: Sissi Kaiserlos
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Lieblingspyjama mit den süßen Drachenmotiven.
    Wie in Zeitlupe öffnete sie erneut den Kühlschrank. Der Drache blinzelte und versuchte zu lächeln, was bei seiner Gattung eher wie ein Zähnefletschen wirkte.
    „Hallo“, lispelte er und hob eine Pfote zum Gruß. “If bin Folfgang von Hengftenberg.“
    Sinja schluckte und warf die Tür wieder zu. Zuviel Reisschnaps, klarer Fall von Halluzinationen. Sie trat einen Schritt zurück und atmete erst einmal tief durch. Wieder erklang das Klopfen, diesmal energischer.
    „He, du da draufen. If habe Hunger“, ertönte es gedämpft.
    Sinja riss die Kühlschranktür auf und starrte den Drachen an. Es war eines von diesen schuppigen Modellen mit nur einem Kopf und ungefähr fünfzig Zentimeter lang. Er glänzte grün-gelb und hatte einen langen Schwanz, den er aufgrund der Enge seiner Behausung zusammengerollt unter dem Arm trug. Mit seinen großen, schwarzen Augen sah er Sinja treuherzig an und zeigte auf die Gurken.
    „Darf if die da haben?“
    Wie in Trance reichte sie dem Drachen das Glas, der es ihr aus der Hand riss und sich gierig eine Gurke nach der anderen ins Maul schob. Als es leer war, rülpste er, wobei kleine Rauchwölkchen aus seinen Nasenlöchern aufstiegen.
    „Daf hat gut getan“, erklärte er und beäugte misstrauisch den Joghurt, der nun das einzig Essbare im Kühlschrank war.
    „Waf ift damit?“ Voller Hoffnung nahm der Drache den Joghurt hoch und öffnete sein Maul, doch Sinja streckte beherzt den Arm und riss ihm den Becher aus den Pfoten.
    Sie wollte nicht, dass er – oder war es eine sie? – in ihrem Kühlschrank an einer Lebensmittelvergiftung starb. Schließlich standen Drachen unter Artenschutz, oder?
    Enttäuscht seufzte der Drache und richtete seinen Blick nun interessiert auf Sinja.
    „Und wie heift du?“
    Jetzt war es aber genug, Es war schon spät, die Gurken aufgegessen und sie musste früh aufstehen. Nicht der richtige Zeitpunkt für eine höfliche Konversation mit einem Kühlschrankdrachen. Sie warf die Tür zu und wankte in ihr Bett. Der Reisschnaps schenkte ihr gnädigerweise sanftes Vergessen und sie schlief sofort ein.
     
    Der Wecker riss Sinja viel zu früh aus dem Schlaf. Das war wirklich ein verrückter Traum gewesen. Da sie morgens nie zuhause frühstückte, machte Sinja keinen Versuch, den Kühlschrank erneut zu öffnen. Nach der Arbeit musste sie unbedingt einkaufen, vor allem saure Gurken.
    Irgendwie überstand sie den Tag, ohne sich allzu grobe Schnitzer an ihrem Arbeitsplatz zu leisten. In dem Supermarkt, der nur wenige Schritte von ihrer Wohnung entfernt war, kaufte sie einen riesigen Vorrat an Lebensmitteln. Nur für den Fall, dass sich auf ihre gedachte Einladung hin ein Gast einfinden würde. Sinja schleppte die Einkäufe in ihre Wohnung und stellte sie auf dem Küchentisch ab. Vorsichtig näherte sie sich dem Kühlschrank und machte die Tür langsam auf.
    „Fön, daff du wieder da bift. Mir ift total langweilig und fiemlich kalt.“ Der Drache blinzelte Sinja zu und sprang mit einem Satz aus dem Kühlschrank, wobei er die kleinen Stummelchen auf seinem Rücken wie Flügel bewegte. Mit einem lauten
Platsch
landete er auf dem Küchenboden und jammerte. „Au, au, mein Popo tut weh.“
    Sinja starrte auf das arme Ding herunter und musste grinsen. „Kannst du etwa nicht fliegen?“
    Der Drache machte ein empörtes Gesicht. „If fachfe noch. Flügel bekommt ein Drafe erft, wenn er flügge geworden ift.“
    Ernsthaft nickte Sinja und überlegte, ob Reisschnaps wirklich so lange anhielt. „Okay, und wie alt bist du?“
    Der Drache richtete sich stolz auf, wobei er sich immer noch den schmerzenden Popo rieb. Sah irgendwie – süß aus. „If bin fon fünfzig. Alfo fon fast flügge.“
    Aha
. Sinja betrachtete den kleinen Furz und unterdrückte ein irres Kichern. „Wann wird man denn flügge bei euch?“
    Der Drache zuckte mit den Schultern. „Tja, mit fweihundert, fo um den Dreh. Feif auf nift fo genau.“
    Ein Drache der Weisheit hatte sich da anscheinend nicht gerade in ihren Kühlschrank verirrt. Sinja ließ sich auf einen Stuhl sinken und rieb sich die Stirn. Okay, es war kein Traum gewesen. Vor ihr stand ein geschupptes Exemplar der ausgestorbenen Art der Drachen, wenn es sie jemals wirklich gegeben haben sollte. Irgendwie musste sie wohl – damit fertig werden. Also, erst einmal Freundschaft schließen.
    „Ich heiße Sinja“, erklärte sie und streckte langsam ihre Hand aus, um den Drachen nicht zu
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