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Von Hundert auf Gluecklich - wie ich die Langsamkeit wiederentdeckte

Von Hundert auf Gluecklich - wie ich die Langsamkeit wiederentdeckte

Titel: Von Hundert auf Gluecklich - wie ich die Langsamkeit wiederentdeckte
Autoren: Christine Graefin von Bruehl
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Sommerhitze auf das hohe Haus zu liefen. Ich höre noch das Geräusch, das die vielen kleinen Steine machten, wenn sie unter meinen Tritten links und rechts zur Seite gedrängt wurden. Kaum waren wir im Portal angekommen, umgab uns angenehme Kühle. Ein Geruch nach Staub, Steinen und nach altem Holz lag in der Luft. Auch nach Benzin oder Öl roch es dort, denn manchmal wurden hier auch die Autos abgestellt.
     
    Einzig für meinen Mann und unsere Kinder ist meine neue Langsamkeit noch gewöhnungsbedürftig. Neulich |39| fuhren wir mit dem Auto zur Verwandtschaft und mussten unterwegs tanken. Während ich ausstieg und nach dem Zapfhahn griff, schlüpften die Kinder in Jacken und Mützen und zogen mit Schrat auf den Spielplatz. Sie tobten durch den Sand, kletterten auf das Holzgerüst, das dort stand, und sausten übermütig kreischend die metallen glänzende Rutsche hinunter. Nach einiger Zeit wurde es Schrat kalt, und er wollte zurück ins Auto und weiter. Er hatte beobachtet, dass ich in das Tankstellengebäude verschwunden war, um zu bezahlen, dann aber nicht wieder herauskam. Allmählich wurde er ungeduldig. Wo bleibt meine Frau?, dachte er. Schon wollte er die Kinder allein lassen und nach mir schauen gehen, da sah er mich um die Ecke kommen. Ich bewegte mich wie in Zeitlupe. Unendlich langsam bog ich auf den Weg ein, der zum Spielplatz führte, jeder Schritt, jede einzelne Bewegung dauerte minutenlang. Ich lächelte ihm zu, winkte sogar hinüber, doch ich war noch lange nicht bei ihm angekommen. Schrat blickte mir stirnrunzelnd entgegen. Jetzt, dachte er, jetzt hat der Selbstversuch wirklich begonnen. Ab sofort bewegen wir uns alle nur noch wie die Schnecken. Ob man so trotzdem sein Ziel erreicht?

|41| 2. VON NEUNZIG AUF ACHTZIG:
ERNÄHRUNG
    Warum müssen wir so schnell essen, warum wollen wir Tomaten in einer Jahreszeit verzehren, in der sie gar nicht wachsen, warum Mangos, die hierzulande gleich gar nicht gedeihen? Ich esse bewusst langsamer und versuche, mich ausschließlich von Produkten aus der Region zu ernähren.

 
    |43| Es ist Mittag, und ich habe noch maximal drei, eigentlich nur noch zweieinhalb Stunden, bis ich die Kinder von der Schule abholen muss. Heute geht es mit Murkel zum Zahnarzt; ich habe zum Glück noch einen Termin für ihn bekommen. Schon seit Tagen klagte er über Zahnschmerzen. Mücke ist zum Kindergeburtstag eingeladen. Eilig hatte ich mit ihr vor der Schule noch ein Geschenk ausgesucht, es rasch eingepackt und, während die Kinder an ihrem Müsli kauten, in Mückes Ranzen gestopft. Den musste ich nachher in der Schule einsammeln, damit sie ihn nicht mit zu der Geburtstagsparty schleppen muss.
    Die Zeit drängt, aber ich komme nicht voran. Der Magen knurrt. Ich müsste dringend etwas essen. Wie schön wäre es, wenn sich jetzt mit beschwingter Pünktlichkeit die Küchentür öffnen und irgendeine gute Seele eine gefüllte Schüssel hereintragen würde, wenn ich mich an den gedeckten Tisch setzen und zum Beispiel eine köstliche Gemüsesuppe zu mir nehmen könnte. Vielleicht sollte ich zu dem Italiener eilen, der bei uns um die Ecke seine stadtbekannte Pasta anbietet, mittags sogar zu einem besonders günstigen Preis?
    Doch das ist alles Unsinn. Ich kann mir kein Personal leisten, die Pizza ist ungesund und kostet unnötig viel Geld, und beim Italiener dauert es mir zu lange. Wer wenig Zeit und noch jede Menge zu erledigen hat, kann sich nicht entspannt in ein Lokal setzen und warten, bis ihm seine Bestellung serviert wird.
    Im Gegenteil, es wird so enden wie immer: Gleich |44| reiße ich aufgebracht die Kühlschranktür auf, zerre Fleischwurst vom letzten Supermarkteinkauf aus der Frischhaltepackung, pappe sie mit ein wenig Butter auf ein altes Brötchen und stopfe alles eilig in mich hinein.
    Mit meiner Ungeduld bin ich nicht allein. Wie lange ist der Deutsche durchschnittlich bereit, an einem Arbeitstag auf ein warmes Mittagessen zu warten? Sind es zehn Minuten, vielleicht zwölf? Wie lange darf die Pause insgesamt dauern? Eine halbe Stunde, maximal vierzig Minuten. Hans-Ulrich Grimm führt in seinem Bestseller
Die Suppe lügt
anschaulich vor Augen, dass es unmöglich ist, in dieser kurzen Zeit eine frisch zubereitete Mahlzeit auf den Tisch zu bringen. Alternativ listet er über viele Seiten unterschiedliche Geschmacksverstärker, Aroma- und Süßstoffe auf, die entwickelt wurden, damit ein Essen trotzdem so schmeckt, als ob die dazugehörigen Kräuter morgens im Garten geerntet
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