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Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Titel: Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)
Autoren: Achill Moser , Wilfried Erdmann
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Wüstenwanderer? Obschon Wandern in der Wüste sicher nichts mit »Wanderlust« zu tun hat.
    Moser    Es ist mir egal, wie man mein Unterwegssein benennt. Entscheidend ist, dass das Wüstenwandern eine große Lebensbereicherung ist. Eine Art Rückkehr zur Langsamkeit, eine Rückkehr zur »Überschaubarkeit«, manchmal auch eine Form der Meditation, wobei ich eine herrliche Leere spüre. Schon in den Wüsten Asiens habe ich erfahren, dass die Leere im Buddhismus als eine Art von Glücksempfindung betrachtet wird. Ein schöner Gedanke. Dieses Glück spüre ich beim Wüstenwandern: Oft bin ich unterwegs nur auf die nächsten Schritte und auf die Schönheit der Natur fokussiert. So rutsche ich dann von Tag zu Tag in ein anderes Leben, bin Nomade, der sich in der Weite wohl fühlt. Genau diese »weite Sicht« ist mir wichtig, das gilt auch für unsere Welt. Was meinst du, brauchen wir heutzutage in der Welt mehr »Weitsicht«?
    Erdmann    O Gott, da fragst du was. Mit meiner Weitsicht hapert es nämlich, sonst hätte ich jetzt eine schöne Rente. Doch ernsthaft: Ich liebe das Leben, wie die Natur und das Schicksal es bieten. Man hat auf hoher See nicht immer weite Sicht, sondern dann und wann Nebel. Das ist auch schön. Ich fühle mich in dickem Nebel relativ wohl. Segelnd eingehüllt in diesem sauerstoffgetränkten Dunst, fühle ich mich geborgen und gleichzeitig unendlich weit entfernt von allem. Man sieht, auch im übertragenen Sinne, den Schmutz der Welt nicht.
    Moser    Als Kind habe ich mich sehr eingeengt gefühlt. Die Wüste hat mir dagegen eine phantastische Weitsicht geboten. Ich war total überrascht, dass man so weit – bis über den Horizont hinausblicken kann. Diese Weite hat auch meinen eigenen Horizont erweitert, mir geholfen, neue Wege einzuschlagen, sodass ich auch meiner Angst besser begegnen konnte. Wobei mir aber auch die Tuareg in der Sahara geholfen haben. Sie erklärten mir, dass man als Wüstennomade zum Stein werden muss, denn ein Stein kann alles ertragen, bis die Erosion ihn zerstört. Und wie sieht es bei dir mit den Ängsten aus?
    Erdmann    Ich bin kein ängstlicher Mensch. In Grenzsituationen indes packt mich schon mal eine kribbelnde Unruhe. Habe primär Furcht um meinen Mast, um mein Schiff, denn ohne Schiff bin ich nichts. Gar nichts. Meine Angst macht sich bemerkbar, indem ich vorsichtiger an Deck agiere, dem Boot mehr Sorgfalt widme und versuche, mich vor allem mit Lesen abzulenken. Die Angst entwickelt sich aber nie so heftig, dass ich das Wesentliche vernachlässige. Nonstop unterwegs zu sein, heißt nicht nur Furcht haben vor den Elementen. Es ist auch – und das ist womöglich der schwierigere Teil – Angst vor der Zeit, die vor mir steht wie ein Berg. Um die emotionale Instabilität zu dämpfen, beobachte ich das Meer, denke an schöne Dinge und rhythmisiere mein Bordleben.
    Moser    Zum Abenteuer, denke ich, gehört auch der Hunger nach Unerwartetem. Dabei muss man natürlich gewisse Gefahren durch Erfahrungen und sorgfältigste Vorbereitungen einschränken. Dennoch reizt es mich hin und wieder, meine Grenzen auszuloten, mich auszuprobieren. Nervenkitzel war aber nie ein bestimmendes Motiv für mich. Ich bin eher schicksalhaft in Grenzsituationen hineingeraten, habe es aber immer akzeptiert. Gewisse Risiken gehören nun mal zu solcher Art von Unternehmung, wobei ich oft das Gefühl habe, dass jemand auf mich aufpasst. Schließlich sind Wüste und Meer große spirituelle Räume. – Und wer passt unterwegs auf dich auf?
    Erdmann    Ich. Ich. Ich. Auf meinen Nonstop-Fahrten feierte oder besser zelebrierte ich alle großen Kaps, die ich passierte – Kap Hoorn, Kap Leeuwin, Kap der Guten Hoffnung –, mit großer Dankbarkeit und einem Glas Wein. Dankbarkeit gegenüber dem Universum. Wein, um meine gute Stimmung noch zu steigern. Dabei kommt pure Energie zurück. Sich über das Geleistete freuen zu können, ist überhaupt die Krönung. Auch der christliche Glaube spielte für mich eine wichtige Rolle. Ohne das Vertrauen, Gottvertrauen, ist es nicht zu schaffen. Zudem spürte ich unterwegs ein starkes Urvertrauen, dass alles gut sein wird. Diese Zuversicht erleichtert mir vieles. Ergänzend zu deiner Frage: Ich hatte auch eine Bibel an Bord. Doch im Laufe einer Weltumseglung stand mir die Werkzeugkiste – gezwungenermaßen – häufig näher. Wenn ich göttlichen Beistand gebrauchen konnte, wollte ich ihn nicht. Das war mir zu billig. Und wenn ich Zeit
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