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Vom Tod verführt: Roman (German Edition)

Vom Tod verführt: Roman (German Edition)

Titel: Vom Tod verführt: Roman (German Edition)
Autoren: Kalayna Price
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die in meinem Ring verblieben war, und lenkte einen dünnen Faden Energie in den Kreis. Die Barriere bebte, als sich der Geist ein drittes Mal dagegenwarf, doch sie gab nicht nach. Er zuckte zusammen, als ob er sich wehgetan hätte, und er wirkte durchscheinender als zuvor.
    » Was ist?« John trat näher an die Bahre heran.
    Ich zwang mich, meine Aufmerksamkeit von dem Geist abzuwenden. Wenn es ihm bis jetzt nicht gelungen war, den Kreis zu durchbrechen, würde er es wohl auch bei weiteren Versuchen nicht schaffen. Es gab andere Dinge, die mir weit größere Sorgen bereiteten, zum Beispiel diese lakenbedeckte Gestalt auf der Bahre.
    » Bist du sicher, dass das ein richtiger Leichnam ist?«
    John schlug das Laken zurück, und die Härchen auf meinen Armen richteten sich auf. Im Tod war Colemans Gesicht blass und ausdruckslos– und vollkommen frei von jeglichen Anzeichen von Verwesung.
    Ich blinzelte. Bröckeliger Zement knirschte unter meinen Sohlen. Rost bedeckte das Metallgestell der Bahre. Meine Schattensicht funktionierte also, aber…
    » Er sieht genauso aus wie früher im Fernsehen.«
    John nickte. » Ziemlich gut für eine zwei Wochen alte Leiche, was?«
    Ich runzelte die Stirn. Ich hatte schon zuvor zwei Wochen alte Leichen gesehen. Und, verdammt noch mal, auch gerochen. Ohne Einbalsamierung und bei Temperaturen um die vierzig Grad an den kühleren Tagen hätte er einen unappetitlichen Anblick bieten müssen. Stattdessen würde er bei seiner Trauerfeier wohl im offenen Sarg liegen.
    » Was hat die Autopsie erbracht?«
    John zog ein schmales Notizbuch aus seiner Hosentasche. » Eine der Kugeln hat die Milz durchbohrt. Das war der tödliche Schuss. Sein Körper hat sich selbst vergiftet. Dafür, dass er so lange frei von Verwesung ist, hat man keine Erklärung gefunden.« Er schüttelte den Kopf. » Wenn die Medien das spitzkriegen, werden sie so etwas wie einen Heiligen aus ihm machen. Ein Körper, der dem Verfall widersteht und so…«
    Na wunderbar– genau das, was die Welt brauchte: einen heiliggesprochenen Hexenjäger. Ich seufzte tief auf, und meine Kraft schien mit dem Atem aus meinem Körper zu fließen. Zwei Schatten an einem Tag hatten mich in einen viel zu intensiven Kontakt mit dem Todesreich gebracht. Ich wollte das Ganze nur noch abschließen, Coleman zum Reden bringen und das Geld von Casey kassieren.
    Ich studierte das makellose Gesicht. Selbst wenn er äußerlich unversehrt war, hätte ich in meiner Schattensicht eine Veränderung erkennen müssen. Alles Natürliche zeigte in meiner Schattensicht die Anzeichen von Verfall.
    John nahm das Laken, um Coleman wieder zuzudecken, doch ich hob eine Hand.
    Was ist das denn?
    Ich beugte mich vor, gab John ein Zeichen, dass er das Tuch weiter herabziehen sollte.
    Dicke blaue und grüne Linien wanden sich über Colemans Schultern.
    » Sind das Tattoos? Lass mich seine Brust sehen.«
    John runzelte die Stirn, schob das Laken aber bis zu Colemans Hüften nach unten. Lebhafte Muster schmückten Arme und Brust des Gouverneurs in einem Wirbel aus Farben und Zeichnungen. Es waren Muster, wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte, als hätte ein Künstler bestimmte Runen oder alte Stammeskunst recht frei nachgemalt.
    Ich beugte mich vor. » Nicht gerade das, was ich auf dem Körper eines Mannes, der im Licht der Öffentlichkeit stand, zu sehen erwartet hätte.«
    John starrte mich an, nicht den Leichnam, und eine Faust schien meinen Magen zusammenzudrücken.
    » Du kannst sie nicht sehen?«
    Er schüttelte den Kopf.
    O Mist. Die Muster waren durch den y-förmigen Obduktionsschnitt in keiner Weise unterbrochen– ein normales Tattoo wäre ruiniert gewesen. Ich wandte mein Gesicht leicht zur Seite und betrachtete sie aus dem Augenwinkel. Und plötzlich erschien mir ihr Sinn fast greifbar, doch sobald ich den Blick direkt darauf richtete, waren sie nur noch ein Gewirr zufällig gezogener Linien.
    Magische Glyphen?
    » Hat Tamara den Leichnam– oder was immer es ist– auf irgendwelche Zauber untersucht?«
    John nickte. » Äußerst gründlich. Da war nichts.«
    Ich schluckte, und die Faust presste meinen Magen noch ein bisschen fester. Wie ein Bluthund pflegte Tamara auch die winzigste Spur zu finden, die auf Magie hinwies. Bisher hatte ich noch nie erlebt, dass ihr etwas entgangen wäre, und schon gar nicht etwas so Gewaltiges wie das hier. Aber ich hatte nicht die geringste Ahnung, was für ein Zauber das sein mochte.
    Hinter mir flog eine Tür auf. » Was,
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