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Vom Nehmen Und Genommenwerden

Titel: Vom Nehmen Und Genommenwerden
Autoren: Peter A. Schroeter , Doris Christinger
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Funktionen zuständig, die unser Überleben sichern: Wachheit, Aufmerksamkeit, Instinkte, Trieb, Balzgehabe, Flirt.
    Das »Säugerhirn« (limbisches System, Mittelhirn) ist das emotionale Hirn mit den Grundempfindungen Angst, Wut, Freude, Trauer, Ekel und Hass. Es funktioniert nach dem Muster, Lust zu wiederholen und Schmerz zu vermeiden. Das geschieht aber immer noch unbewusst und hält uns in unseren Reaktionen gefangen. So werden zum Beispiel bei Angst sowohl das Reptilien- als auch das Säugerhirn aktiviert. Die (unbewusste) Reaktion ist dann entweder Angriff, Flucht oder Erstarrung.
    Erst im Neokortex (Großhirn, dem entwicklungsgeschichtlich jüngsten Teil des Hirns) geht es um das eigentliche Menschsein, um bewusstes Wählen, Reflexion, Sprache. Erst hier werden Begehren und Sex zu etwas Persönlichem: Wir wollen vom anderen begehrt und gewählt werden.
    Erleben wir aber Stress und Angst, entreißen die automatischen Verteidigungsreaktionen des Reptilien- und des Säugerhirns dem Neokortex die Kontrolle.
    Solange diese Reaktionen automatisch und unbewusst ablaufen, sind wir nicht zu wahrer Intimität jenseits von Angst- und Stressreaktionen fähig. Erst wenn wir uns durch sehr viel Achtsamkeit und Übung dieser Reaktionen bewusst werden, kann unser menschlich-reflektierender Teil auch unter Stress die Oberhand behalten. Dann werden Begehren und Verlangen, also das Triebhafte, mit dem Bewusstsein gezügelt.
    Weiterhin spielen die Hormone eine große Rolle. Auf der feinststofflichen Körperebene, dem Hormonsystem, sind Trieb, Lust und Leidenschaft mit dem äußerst wichtigen Sexualhormon Testosteron verbunden. Testosteron steuert die Libido, macht geil, muskulös und aggressiv, schenkt Ausdauer und Kraft und treibt vor allem den Mann, aber auch die Frau, zu Sex und dominantem Verhalten. Frauen produzieren ihr Testosteron in den Nebennieren, und auch bei ihnen ist es verantwortlich für die Lust. Bei Männern beobachten wir das Phänomen, dass der Testosteron-Spiegel in einer langjährigen Partnerschaft sinkt. Zusätzlich vermindert sich bei ihnen der Testosterongehalt (ab etwa 40 Jahren) um jährlich ein Prozent. Bei der Frau bleibt der Testosteron-Spiegel hingegen gleich. Er nimmt nur scheinbar zu, weil die Östrogen-Produktion in der Menopause wegfällt. Viele Frauen haben dadurch mehr Lust auf Sex, sie erleben sich als triebhafter.
    Zusätzlich sinkt der Testosteron-Spiegel bei Paaren, wenn sie über längere Zeit keinen Sex haben. Dies erklärt auf der rein hormonellen Ebene die Lustlosigkeit vieler Paare. Um eine hormonell bedingte Lustlosigkeit auszugleichen, sollten wir also möglichst oft Sex haben.
    Vom Begehren zum Orgasmus – Der sexuelle Spannungsbogen
    Vom Begehren bis zu seiner Erfüllung mit dem Orgasmus als Höhepunkt kann Sex als Spannungsbogen beschrieben werden. Dieser Bogen ist ein äußerst fein strukturierter und komplexer Ablauf. Um ihn besser verstehen zu können, gliedern wir ihn entlang der Zeitachse in verschiedene Phasen. Diese Phasen können anhand bestimmter Körperreaktionen beim Sex unterschieden werden und sind in ihrer Reihenfolge weder umkehrbar noch austauschbar. Allerdings sind die Länge und die Intensität des Erlebens der Phasen individuell sehr verschieden.
    Das einfachste Modell stammt von Helen Singer Kaplan und orientiert sich sehr streng an physiologisch eigenständigen Reaktionen. Sie spricht von den drei Phasen Appetenz, Erregung und Orgasmus. Das bekannteste Modell ist jedoch das Vier-Phasen-Modell von Masters und Johnson mit den Phasen Erregung, Plateau, Orgasmus und Refraktär-Phase, dem aber die bereits erwähnte Appetenz-Phase fehlt. Deshalb wird in der heutigen Sexualtherapie dieses Phasen-Modell um die Appetenz-Phase zu einem Fünf-Phasen-Modell erweitert: Appetenz, Erregung, Plateau, Orgasmus und Refraktär-Phase. Die Erweiterung um die Appetenz-Phase, die wir als Lust auf die Lust bezeichnen, hilft uns vor allen Dingen, die überall beklagte Lustlosigkeit besser zu verstehen, mit der wir trotz oder gerade wegen der permanenten sexuellen Überreizung im Alltag konfrontiert werden. Schauen wir uns die Abfolge sexueller Reaktionen in diesem Fünf-Phasen-Modell genauer an.
    Sexuelle Aktivität wird durch sexuelles Begehren (Appetenz) in Gang gesetzt. Selbst Potenzmittel brauchen, um ihre Wirksamkeit zu entfalten, den Anstoß durch sexuelles
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