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Vom Himmel in Die Traufe

Titel: Vom Himmel in Die Traufe
Autoren: Arto Paasilinna
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Federn zu putzen. Der gute Butler Ragnar Lundmark hatte als Hochzeitsgetränk eine Kiste mit dem nach klassischer Methode (fermentation en bouteille selon la methode champenoise) hergestellten Krug Grande Cuvee Brut ausgewählt. Der Champagner war goldgelb, hatte einen reichen Duft und einen entwickelten, üppigen Geschmack, er war vollkommen trocken und leicht fruchtig. Das Paar stieß miteinander an, und Hermanni sagte:
    »Auf deine ewige Schönheit.«
    Nun öffneten sie den Proviantkorb, und Lena richtete auf dem Deckel an: geräucherte große Maränen, in Semmelmehl frittierte kleine Maränen, Lachs, Saiblingsrogen, Savolaxer Räucheraal, pochierte Tervolazwiebeln, glasierte Mandelkartoffeln, Kainuu-Brot, Aura-Käse, Gewürzmayonnaise und gehackten Estragon.
    Die Unglückshäher bekamen den ihnen gebührenden An­teil.
    Während des Hochzeitsmahls unterhielten sich die beiden über Hermannis Volksaufstand. Sie öffneten die zweite Champagnerflasche.
    Mit großem Ernst reflektierten sie das Wesen des Bürgerkrieges. Wie viele Mütter würden ihr einziges, wenn auch arbeitsloses, Kind verlieren? Nachbarn würden sich gegenseitig umbringen, Brüder ihre Brüder töten. Die Wunden des Krieges würden frühestens im zweiundzwanzigsten Jahrhundert vernarben. Sie stellten sich das zerstörte Land vor, Waisen, verbrannte Dörfer und Häuser. Streunende Hunde würden gemeinsam mit Kriegsinvaliden Misthaufen durchwühlen.
    Die Frage nach der ethischen Verantwortung für den Krieg regte sich. Welche genetische Auswirkung würde dieses Schlachten auf kommende Generationen haben? Wie würden die Götter auf all das reagieren?
    Lena öffnete den Aluminiumkoffer mit den Aufstandsplänen und las die Übersicht über den chronologischen Ablauf laut vor: »Kampfbefehl mitten im Winter – im Frühjahr Ausweitung der Revolte – Kriegshandlungen im Sommer – im Herbst gründet der finnische Staat Konzentrationslager für die Arbeitslosen – im nächsten Winter die ersten Gerichtsprozesse – im Frühjahr Beginn der Hinrichtungen von Kriegsschuldigen – im Sommer erneutes Aufflammen der Kämpfe.«
    »Trinken wir auf den Krieg oder auf den Frieden?«, fragte Hermanni ernst.
    Sie erhoben die Gläser.
    Die Unglückshäher hatten die Idee, durch die Ballonöffnung nach unten in das geräumige Herz zu fliegen, wo größere sommerliche Hitze als in Tahiti herrschte. Dort veranstalteten sie ein regelrechtes Flötenkonzert.
    »Ist das hier Pudasjärvi?«, fragte die frischgebackene Ehefrau.
    Hermanni schätzte, dass sie sich vielleicht in Iisalmi befanden, aber ebenso gut konnten sie auch in Ranua oder Tyrnävä sein. Ein Gentleman studiert auf dem Hochzeitsflug keine Landkarten.
    Ihrer beider Schicksal während der Revolte und vor allem danach kam ebenfalls zur Sprache. Hermanni vermutete, dass er hingerichtet würde, und dasselbe Los prophezeite er seiner Frau. Ragnar bekäme lebenslänglich, was in seinem Alter höchstens zwanzig Jahre Zuchthaus, wenn überhaupt, bedeutete.
    Lena ließ den Dokumentenkoffer zuschnappen und schleuderte ihn ohne ein Wort nach unten in die winterliche Wildmark. Ein pfeifendes Geräusch war zu hören, als er die Frostluft durchschlug.
    Als die Gondel um das Gewicht der Kriegspläne erleichtert war, stieg der Ballon zu neuen Höhen auf.
    Hermanni Heiskari war schockiert. Sein Krieg, über Jahre erdacht, war auf die Erde gefallen und verschwunden. Beinahe wäre der erste eheliche Sturm ausgebrochen. Hermanni konnte sich nur mit Mühe beherrschen, rasch überdachte er das Geschehene, und plötzlich überkam ihn grenzenlose Erleichterung. Er hob sein Champagnerglas und sagte:
    »Auf den Krieg kommt es beim Mann nicht an.«
     
    Im hellen Sonnenlicht löste sich der blinkende Aluminiumkoffer von dem großen roten Ballon und sauste wie ein Meteorit nach unten. In der Nähe von Kiuruvesi landete er in einem einsamen Moor. Das Geschenk des Himmels bohrte sich in den Schnee, der Deckel wurde platt gedrückt, aber sonst blieb die Sendung unversehrt.
    Gerade in diesem Moment war in der Gegend ein Mann auf Skiern unterwegs, es war Onni Ynjevi Schmuck, der einfältige und ungebärdige Enkel des Schmucken Jussi, der seine Wehrpflicht als Jägerpionier absolviert hatte. Brennend vor Neugier inspizierte er den Inhalt des Koffers und erkannte sofort, dass es sich um einen detaillierten Kriegsplan handelte, der nur darauf wartete, verwirklicht zu werden.
    Onni sauste los wie ein geölter Blitz. Nur keine Zeit
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