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Vom Himmel in Die Traufe

Titel: Vom Himmel in Die Traufe
Autoren: Arto Paasilinna
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viel bedeutete, da ihm nie viel von diesem Gut der Welt zuteilgeworden war, obwohl er stets an der Beschaffung gearbeitet hatte.
    Ragnar schlief auf der Rückbank, das Gipsbein gegen die Rückenlehne des Vordersitzes gestützt. Zur Unterhaltung trug er nicht gerade bei. Lena fragte verwundert, wie schwer sich ihr Onkel das Bein auf Tahiti eigentlich verletzt hatte, da es ihm immer noch so große Schmerzen zu bereiten schien. Darauf sagte Hermanni, dass Ragnar ein sensibler Mensch sei, der an den Widrigkeiten des Lebens schwer trage.
    Lena erklärte ihm, dass sie beide sich nach ihrer Hochzeit einschränken müssten. Sie müssten das Herrenhaus in Maarianhamina aufgeben und sich ein kleineres suchen. Schlimm erschien ihr der Gedanke, dass für Ragnars Butlergehalt keine jährlichen Aufstockungen möglich wären, sie wäre schon zufrieden, wenn sie ihm den Inflationsausgleich zahlen könnte. Ihren Worten zufolge war sie inzwischen so bettelarm, dass sie außer dem Butler nur noch ein einziges Dienstmädchen einstellen konnte. Selbst der Gärtner konnte nur noch halbtags bezahlt werden.
    »Armut macht niemandem Spaß«, bestätigte Hermanni.
    Gegen Abend quartierten sie sich in Evora in der Pousada Dos Loios ein, die sich in einem uralten Kloster befand. Die Zimmer waren eng, handelte es sich doch um ehemalige Mönchszellen, mit dem Unterschied, dass sich wohl kein enthaltsamer Mönch je von einer Klimaanlage, einem Föhn und all den anderen Annehmlichkeiten eines Fünfsternehotels hätte träumen lassen. Die Pousada war so schön und berühmt, dass ständig Touristen kamen, um sie zu bewundern. Das Personal machte die Leute jedoch nachdrücklich darauf aufmerksam, dass nur zahlende Gäste die historische Atmosphäre frei genießen durften.
    Das Dos Loios hatte eine ausgezeichnete Küche. Das Trio genoss nach der Ankunft einen gebackenen Lammbraten nach Alentejo-Art und am nächsten Tag zum Lunch gebackene Seezunge in Kräutersoße.
    Ragnar, der Invalide, lag in seiner Mönchszelle herum, aber Lena und Hermanni spazierten Arm in Arm durch die schmalen Gassen von Evora. Die Stadt war tausend Jahre alt und auf einem Hügel erbaut. Die Mauren hatten sie seinerzeit als ihre Hauptstadt gegründet, und auf dem Klosterhof gab es sogar einen römischen Tempel. Lena seufzte entzückt und sagte, dass man an solch einem historischen Ort viele Wochen zubringen könnte, um sich all das anzusehen, was die Römer, die Mauren und Manuel geschaffen hatten.
    Sie erzählte Hermanni, dass sie sich ein Kind wünschte. Was meinte er dazu? Da sie nun ihre Reederei los war, hatte sie Zeit für die Mutterschaft. Hermanni wurde knallrot. Er räusperte sich und sagte:
    »Tja … zum Beispiel.«

34
    Von Evora bis nach Elvas nahe der spanischen Grenze waren es nur etwa hundert Kilometer. Die Landschaft veränderte sich, wurde waldig. In Elvas sahen sie in einem Tal zwischen mehreren Hügeln eine römische Wasserleitung, ein Aquädukt. Es war ein beeindruckendes Bauwerk, ein in den Himmel gebauter zwei Kilometer langer Fluss, der bewies, dass bereits die alten Römer begriffen hatten, dass Wasser nicht bergauf fließt.
    Gerade als sie dort standen und die wuchtige steinerne Wasserleitung bewunderten, schwebte aus der Höhe ein leuchtend gelber Regenschirm herab. Bald folgte ein zweiter, ein rot gestreifter. Unten sammelte sich Publikum an, der Verkehr geriet ins Stocken. Die Leute schienen zu wissen, worum es sich handelte. Wieder schwebte ein neuer Regenschirm herab, jetzt war es ein schwarzweißer. Im Minutentakt segelten sie nach unten auf die Straße, insgesamt mehr als zwanzig Exemplare. Als der Regen der Schirme endlich endete, erhob sich hinter dem Geländer eine alte Frau mit stolzer Haltung, sie beschrieb ein paar weite Kreise mit der Hand, so als wäre sie eine große Volksführerin, dann ging sie festen Schrittes bis zum oberen Ende des Aquäduktes und verschwand aus dem Blickfeld.
    Die Finnen erfuhren von den Schaulustigen, dass es sich um eine betagte Baronin handelte, die ihr Geld in der portugiesischen Nelkenrevolution eingebüßt hatte – ihr Mann war vor der Revolution nach Brasilien geflohen, hatte das ganze Vermögen mitgenommen und seine Frau allein zurückgelassen. Die Ärmste hatte den Verstand verloren und veranstaltete seither alljährlich in Elvas dieses seltsame Schauspiel, sie warf den Volksmassen Regenschirme zu, wie um zu beweisen, dass sie, obwohl verarmt, immer noch ihre Untertanen zu schützen wusste. Sie war
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