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Vom Himmel hoch

Vom Himmel hoch

Titel: Vom Himmel hoch
Autoren: Gerhard Branstner
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Köder zu verwenden. Ich machte mich auf den Weg und fing auch alsbald genügend kleines Viehzeug ein, schleppte es zur Waldwiese und warf es in hohem Bogen in den Kreis, wo es von meinen Gefährten zu Ködern zurechtgemacht wurde. Dann legten sie ein Seil aus und befestigten an beiden Enden Fleischstücke. Auf die gleiche Weise präparierten sie etwa ein Dutzend Seile. Als das getan war, übernahm der Schmetterlingsfänger das Kommando, und die zwei anderen Assistenten warfen bei ›drei‹ die beiden Enden eines Seils mit den daran befindlichen Fleischstücken jeweils zwei gegenüberstehenden Pflanzen zu. Innerhalb von einer Minute war allen Pflanzen ihr Köder verabreicht, und sie würgten ihn gierig hinunter, wie eine Schlange ein Kaninchen hinunterschlingt. Wir konnten deutlich sehen, wie die Brocken in den sich wie ein Gummischlauch dehnenden Stengeln abwärts wanderten und schließlich im Erdboden verschwanden. Wahrscheinlich waren die Wurzeln der Biester als Mägen ausgebildet. Jedenfalls wurden die kannibalischen Ungeheuer in der gleichen Geschwindigkeit, in der sie die Köder hinunterwürgten, von den gespannten Seilen zu Boden gezogen. Und sosehr sie sich auch wehrten und wanden, als die Köder den Ort ihrer Bestimmung erreicht hatten, lag das eklige Gezücht flach und schnurgerade auf dem Boden hingestreckt, akkurat wie die Speichen eines Wagenrades. Wir aber waren gerettet.«
    Wirsing nahm einen Schluck von seinem Wein und lehnte sich mit einem beifallheischenden Lächeln zurück. Die anderen würdigten seine Leistung in Form einer kleinen Kunstpause. Dann sagte Fontanelli: »Eine ganz hübsche Geschichte, auch wenn wir ihr gutes Ende der Erinnerung an Max und Moritz zu danken haben, die den Hühnern der Witwe Bolte den gleichen Streich spielten.«
    »Wenn zwei das gleiche tun«, meinte Kraftschyk, der Schwerenöter, »kann man beider Handlungen miteinander vergleichen und das Besondere erkennen, das die eine vor der anderen auszeichnet.«
    »Und worin besteht das Besondere von Wirsings Geschichte?« fragte Fontanelli.
    »Max und Moritz«, erklärte Kraftschyk, »haben mit ihrem Streich ihren Witz bewiesen, nicht mehr. Wirsings Gefährten aber haben mit ihrem Witz die Überlegenheit des menschlichen Geistes über die Natur bewiesen.«
    »Ich denke, es sollte eine Lügengeschichte sein«, entgegnete Fontanelli. »Und Lügengeschichten können nichts beweisen.«
    »Sie beweisen sogar zweierlei«, sagte Kraftschyk. »Indem sie die Grenze des Möglichen überschreiten, beweisen sie ihre eigene Unwirklichkeit und zugleich, daß wir in Wirklichkeit diese Grenze unterschreiten. Eine gute Lügengeschichte ist immer ein Gleichnis auf das Menschenmögliche.«
    »Das war nicht abgemacht«, rief der Raumkoch, »meine Geschichte ist ganz und gar unmöglich!«
    »Du wirst dich wundern, wie wenig unmöglich ist«, sagte der Schwerenöter. »Erzähl deine Geschichte, und ich werde es dir beweisen.«
    »Da bin ich aber gespannt«, meinte Stroganoff und nahm einen kräftigen Schluck, »wie ein Knoten ohne Strick. Meine Geschichte«, begann er, »heißt
     
     
    Die Sonne im Schlepptau
     
    und geht so: Es war einmal ein mächtig großes Raumschiff. Das Schiff war so groß, daß man als junger Mensch losgehen mußte, wollte man zu Lebzeiten von einem Ende zum anderen gelangen. Und es fuhr schneller als Lichtgeschwindigkeit, so daß wir dauernd im Dunkeln saßen. Das Licht konnte gar nicht so schnell nachkommen. Na, was sagst du jetzt, Kraftschyk?«
    Stroganoff blickte triumphierend von einem zum anderen, und alle lachten herzlich über den Raumkoch und seine aufgeblasene Geschichte.
    »Mach nur weiter«, sagte Kraftschyk, der am herzlichsten gelacht hatte, »wir machen dann alles mit einemmal ab.«
    »Das Schiff«, fuhr Stroganoff ein wenig irritiert fort, »war also ungeheuer schnell, und der Kommandant mußte es stoppen lassen, damit das Licht wieder nachkommen konnte. Es war aber bereits zu spät, das Schiff war längst aus dem Weltall hinausgeschossen. So weit das Auge blicken konnte, umschloß uns das schwarze Nichts. Der Kommandant gab Befehl, das Schiff zu wenden und mit voller Geschwindigkeit zurückzufahren. Doch als er stoppen ließ, waren wir wieder aus dem Weltall hinausgeschossen, diesmal auf der anderen Seite. Das Schiff war einfach zu schnell. Das wäre kein Problem gewesen, wenn wir die Geschwindigkeit hätten drosseln können. Aber irgendwas war nicht in Ordnung, und da wir ständig im Finstern saßen,
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